Marvin, herzlichen Glückwunsch zum Meisterschaftsgewinn. Dein Handy scheint ja überhaupt nicht mehr still zu stehen...
So häufig wie jetzt hat es wirklich noch nie geklingelt und gepiepst. Allein auf Facebook habe ich so viele Gratulationswünsche bekommen, dass ich den Überblick verloren habe. Es ist unglaublich, wie viele Menschen sich über meinen Titelsieg freuen, mich anrufen oder SMS schreiben. Darunter sogar Leute, die ich noch gar nicht kannte. Die Nachricht muss wohl größere Kreise gezogen haben. In den kommenden Tagen widme ich mich meinem Handy und bedanke mich bei allen Gratulanten.
Nach deinem vorzeitigen Titelsieg am Samstag haben dir auch im Fahrerlager viele Menschen gratuliert. Am Hockenheimring kennt man dich sowieso gut, oder?
Ja, meine Heimatstadt Lampertheim ist quasi um die Ecke. Am Wochenende kam zum Beispiel einer der Streckenposten, der aus meinem Heimatort kommt, zu mir und hat sich Autogramme geben lassen. Darüber habe ich mich richtig gefreut. Einige Fans haben extra für mich ein Plakat gebastelt und es am Wochenende auf der Tribüne hochgehalten. Das sind schon sehr besondere Momente für mich.
Du bist mit 30 Punkten Vorsprung zum Finale gereist und hast die Meisterschaft im ersten Rennen perfekt gemacht. Hand aufs Herz: Wann hast du in dieser Saison zum ersten Mal gedacht, dass der Titel sicher ist?
Das habe ich nie gedacht. Ich habe die Meisterschaft seit einiger Zeit angeführt, hätte den Spitzenplatz aber jederzeit verlieren können. Es war die gesamte Saison über sehr eng. Meine Titelrivalen Joel Eriksson und Joey Mawson waren stets dicht an mir dran. Die 30 Punkte Vorsprung waren nicht viel, wenn man bedenkt, dass es in den drei Rennen pro Wochenende 75 Zähler zu holen gibt. Ein Ausfall, und schon bist du hinten dran. Umso schöner war es, dass ich mit dem Sieg im ersten Rennen die Meisterschaft eingesackt habe. Da ist viel Druck von mir abgefallen.
Allerdings musstest du bis zum Schluss warten, um wirklich sicher zu sein. Was war da passiert?
Das war schon etwas kurios, im Nachhinein kann ich aber gut darüber lachen. Im ersten Rennen hatte ich während der letzten Runde plötzlich Funkprobleme. Deshalb wusste ich erst auf der Start/Ziel-Geraden, als ich unsere jubelnden Teammitglieder an der Boxenmauer sah, dass ich den Titel wirklich gewonnen habe. Zu diesem Zeitpunkt war mir ja nicht klar, auf welchen Positionen meine Titelgegner fuhren.
Im ersten Saisondrittel warst du im Titelkampf etwas zurückgefallen. Vor dem vierten Rennwochenende am Lausitzring hattest du 56 Punkte Rückstand auf die Spitze. Wie bist du zurückgekommen?
Ich würde nicht sagen, dass wir zurückgekommen sind. Wir waren die ganze Saison über sehr stark. Wir hatten nur zwei Rennwochenenden in Folge Pech. Das war auf dem Punktekonto natürlich direkt knallhart zu sehen. 56 Punkte Rückstand klingt zwar nach viel. Man darf aber nicht vergessen, dass es 75 pro Wochenende zu holen gibt. Am Red Bull Ring und in Spa-Francorchamps habe ich in insgesamt vier Rennen die Punkteränge verpasst. Die Nullrunden waren sicherlich ein Rückschlag, aber danach ging es bei uns richtig aufwärts. Dass ich nicht Halbzeitmeister geworden bin, interessiert am Ende niemanden mehr.
Ab dem vierten Rennwochenende hast du eine beeindruckende Leistung abgeliefert: Innerhalb von zehn Rennen bist du neun Mal auf das Podium gefahren und hast fünf Mal gewonnen. Wie kam es dazu?
Wie gesagt: Wir waren über das Jahr hinweg einfach sehr stark. Ab dem Lausitzring konnten wir unsere Performance durchweg in gute Resultate umwandeln. Ich hätte gerne die zehn Podestplätze in Folge geschafft, will mich am Ende aber nicht beschweren. Wenn du auf vier unterschiedlichen Rennstrecken in Folge auf das Podium fährst, ist das Beweis genug für unsere Performance. Ich bin ja ein großer Statistik-Fan. Bei meinen insgesamt 14 Podestplätzen habe ich die Ziellinie acht Mal als Sieger überquert. Ich habe also mehr als 50 Prozent meiner Podiumsrennen gewonnen. Das ist schon eine tolle Ausbeute und zeigt, dass ich mich auch im Kampf um die Spitze behaupten konnte.
Du hast dieses Jahr drei Doppelsiege erzielt. Nur mit dem Triple hat es nicht ganz geklappt...
Das Triple war natürlich das ultimative Ziel. Ich werde die ADAC Formel 4 in den kommenden Jahren weiter verfolgen und bin gespannt, ob es einem Fahrer gelingt. Es ist machbar, aber wegen der Reversed-Grid-Regel im dritten Rennen brauchst du ein verdammt schnelles Auto und es muss alles passen. Ich war einige Mal dicht dran, wie etwa am Sachsenring. Dort bin ich nach zuvor zwei Siegen vom zehnten Startplatz bis auf die zweite Position vorgefahren. Das muss man in diesem hart umkämpften Startfeld erst einmal schaffen.
Was war dein Highlight in dieser Saison?
Ein Achtel von jedem der 24 Saisonrennen, also jeder meiner Siege. Ich möchte kein spezielles Rennen hervorheben, auch wenn das dritte Rennen am Lausitzring schon ziemlich cool war. Nach einer Safety-Car-Phase wurde das Rennen zur letzten Runde noch einmal freigegeben. Ich fuhr zu diesem Zeitpunkt auf Platz drei. Nachdem meine beiden Vordermänner beim Duell zu weit rauskamen, nutzte ich die Chance und war plötzlich Erster. Das war ziemlich kurios, gleichzeitig aber der Start meiner Erfolgsserie.
ADAC Formel 4 Schirmherr Sebastian Vettel sagte, dass ein gutes Abschneiden in der ADAC Formel 4 eine gute Empfehlung für den Sprung in höhere Klassen ist. Wie geht es bei dir in Zukunft weiter?
Entweder FIA Formel-3-Europameisterschaft oder eine GT-Serie wie das ADAC GT Masters. Es hängt immer davon ab, welche Angebote kommen. Ich hatte den Aufstieg in eine höhere Klasse schon länger geplant und fühlte mich auch bereit dazu. Leider ist die Motorsportwelt ziemlich hart für einen jungen Fahrer und es ist schwierig, überhaupt ein Cockpit zu finden. Der Titelgewinn in der ADAC Formel 4 ist sicherlich ein gutes Argument, mir eine Chance zu geben. Mein großes Ziel ist der Start bei den 24 Stunden von Le Mans.