"Mein guter Bekannter Diego Alessi ist für mich ein ganz großer Favorit auf den Titel", - diese Worte kamen vor dem Saisonstart im vergangenen Jahr aus berufenem Mund. Jemand der es wissen muss, Albert von Thurn und Taxis, der ADAC GT Masters-Champion der Saison 2010, hatte den 40-jährigen Italiener mit der hohen Stirn schon im letzten Jahr auf der Rechnung. Doch viel Pech verhinderte, dass Alessi und der FIA GT3-Europameister von 2010, Daniel Keilwitz, schon im letzten Jahr in ihrer Callaway-Corvette ein Wort bei der Titelvergabe mitsprechen konnten. Der zweite Anlauf in der Saison 2012 ist schon deutlich vielversprechender: Podiumsplatz in Oschersleben, erste Pole-Position für Alessi in Zandvoort, erster Sieg und Tabellenführer nach dem zweiten ADAC GT Masters-Rennwochenende.
Für die meisten Fans des ADAC GT Masters ist Alessi, der bereits seit gut zehn Jahren in der europäischen Sportwagenszene unterwegs ist, noch ein unbeschriebenes Blatt. Die Rennfahrerkarriere von Alessi, der als motorsportlicher Spätzünder erst mit 22 Jahren mit der Rennerei begann, verlief bisher sehr kurvenreich. "Ich wollte immer Rennen fahren und machte erste Erfahrungen auf der Rennstrecke mit Motorrädern. Aber meinen Eltern war das zu gefährlich. Mit 18 habe ich dann mit dem Motorradfahren aufgehört und versucht, nicht mehr an das Rennfahren zu denken. Aber es hat nicht geklappt."
Mit 22 saß Alessi im Formel Ford und fuhr in seiner Heimat einige Rennen in der Formel 3. "Doch das Geld reichte nicht für eine Formelkarriere, ich bin daher umgestiegen auf Tourenwagensport." In der Folge steuerte Alessi in seiner Heimat verschiedene Tourenwagen, überwiegend BMW-Fahrzeuge, und feierte auch Erfolge bei internationalen Rennen wie den 24h von Dubai und den Mil Milhas in Interlagos/Brasilien. Trotz einiger Erfolge war Alessi aber nicht glücklich mit den Ergebnissen. "Ende 2002 habe ich überlegt, den Helm an den Nagel zu hängen, denn die Ergebnisse waren nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich war es auch irgendwann leid, ständig das Geld meiner Familie für den Motorsport auszugeben."
Durch einen Zufall blieb Alessi dann allerdings dem Motorsport erhalten und wechselte in den GT-Sport. "Ein guter Bekannter meiner Mutter wollte mit dem Rennsport beginnen und meine Mutter wollte, dass ich zusammen mit ihm arbeite und fahre. Das war sehr unerwartet, hat mir in den folgenden Jahren aber auch sehr viele Chancen eröffnet." Auch beruflich verschrieb sich Alessi komplett dem Motorsport. "Ich habe einen Jura-Abschluss und habe einige Jahre ein geregeltes Leben geführt und damit Geld verdient, konnte meine Gedanken aber nie vom Rennsport lösen. Irgendwann habe ich mich dann aller finanziellen Unwägbarkeiten zum Trotz dazu entschieden, mich voll auf das Rennfahren zu konzentrieren."
Der zweite Wind in seiner Karriere brachte Alessi 2003 auch zu den 24h von Spa, seiner erklärten Lieblingsrennstrecke, und sorgte für eine seiner bisher besten Erinnerungen im Motorsport. "Bei den 24h von Spa starteten damals viele starke GT1- und GT2-Fahrzeuge, ich bin in einem GT2-Porsche von einem kleinen Privatteam gefahren und aus dem Mittelfeld gestartet. Nach einer Stunde hat es zu regnen begonnen, aber nicht so stark, dass man hätte Regenreifen aufziehen können. Bei diesen schwierigen Bedingungen hatte ich an dem Tag ein unglaubliches Gefühl für das Fahrzeug, war Dritter nach der zweiten Rennstunde, und als ich am Ende meines Stints in die Box gefahren bin, lag ich sogar in Führung. Ein unglaublicher Moment."
In den darauf folgenden Jahren startete Alessi in verschiedenen nationalen und europäischen Meisterschaften auf einer Vielzahl unterschiedlicher Sportwagen. Oftmals nicht für eine komplette Saison, aber mit teilweise guten Ergebnissen. "Ich musste mir in der Vergangenheit oft das Auto mit einem Gentleman-Fahrer teilen, daher waren die Resultate am Jahresende oft sehr durchschnittlich. Ich bin aber fest davon überzeugt: Mein größter Erfolg kommt erst noch." Vielleicht schon in dieser Saison?