Die Audi-Fahrer stehen Rede und Antwort. Bilanz und Ausblick der beiden ADAC GT Masters-Champions.
Herzschlagfinale, Partymarathon nach dem Titel, Erfolgsrezepte, Höhe- und Tiefpunkte der Saison: Die Deutschen GT-Meister Ricardo Feller (21/CH) und Christopher Mies (32/Düsseldorf, beide Montaplast by Land-Motorsport) blicken im großen Meisterinterview nochmals auf die Saison zurück, beschreiben die dramatische Titelentscheidung auf dem Nürburgring und geben einen Ausblick auf 2022.
Wie fühlt man sich als Deutscher GT-Meister? Ricardo Feller: „Es ist schon ein sehr cooles Gefühl. Ich habe lange davon geträumt. Dass es jetzt Wirklichkeit geworden ist, fühlt sich einfach mega an.“
Christopher Mies: „Ich kenne das ja schon von 2016, deswegen fühlt es sich so an wie immer. Nein, Spaß beiseite. Es ist ein tolles Gefühl, auch wenn man sich inzwischen ein bisschen dran gewöhnt hat. Ich denke, wir haben in den letzten Wochen auch gut gefeiert und den Erfolg ausgekostet.“
Was hat Sie nach dem Titelgewinn am meisten überrascht? Mies: „Meine Freundin hat am Montagabend eine Überraschungsparty organisiert. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Und dass so viele Freunde und Bekannte gekommen sind, hat mich wirklich gefreut, denn die meisten mussten ja am nächsten Tag arbeiten.“
Feller: „Als ich vom Nürburgring nach Hause gekommen bin, hatten meine Nachbarn ein selbstgemachtes Plakat an der Hausmauer aufgehängt, auf dem stand ‚Willkommen, Deutscher GT-Meister!‘ Alle haben dort persönliche Botschaften und Grüße draufgeschrieben, das hat mich wirklich gerührt.“
Wenn Sie jetzt mit etwas Abstand auf die Saison zurückblicken, was war der Schlüssel für den Erfolg? Mies: „Wir hatten im Vorfeld eine sehr gute Vorbereitung und haben damit den Grundstein gelegt. Während der Saison war sicherlich unsere Konstanz ausschlaggebend. Wir hatten nur einen Nuller und haben ansonsten eigentlich immer relativ gut abgeschnitten. Ich kann mich jetzt an kein wirklich schlechtes Rennen erinnern. Wir haben immer wichtige Punkte mitgenommen. Wichtig waren auch die drei Pole-Positions von Ricky, diese neun zusätzlichen Punkte haben am Ende auch den Unterschied gemacht.“
Was war für Sie das Highlight der Saison? Mies: „Eigentlich war die ganze Saison für uns ein Höhepunkt. Das schwierigste Rennen war sicherlich das am Samstag auf dem Lausitzring. Wir hatten bis zur Roten Flagge einen komfortablen Vorsprung. Beim Restart war wegen der Ölspur sehr viel Bindemittel auf der Strecke. Das war sehr tricky, da die Sicht nicht gut war und man nicht genau wusste, wo man bremsen muss. Alle haben sich daher an mir als Führendem orientiert. Das war nicht einfach, denn ich wollte die gute Arbeit von Ricky und vom Team nicht wegschmeißen.“
Feller: „Mein persönliches Highlight war das Samstagsrennen in Zandvoort mit der Pole und unserem ersten Saisonsieg. Es ist toll dort zu gewinnen, denn ich liebe den Kurs einfach. Aber wie Chris schon gesagt hat: Es gab unglaublich viele weitere tolle Momente in der Saison.“
Gab es denn auch einen Tiefpunkt? Mies: „Wenn überhaupt, dann das Sonntagsrennen in Zandvoort mit dem unverschuldeten Unfall, der unseren einzigen Nuller zur Folge hatte. Natürlich waren wir darüber nicht glücklich, aber da wir am Samstag mit der Pole und dem Sieg die volle Punkteausbeute mitgenommen hatten und es am Sonntag für unsere härtesten Konkurrenten, den SSR-Porsche und den Toksport-Mercedes, auch nicht gut lief, war es eigentlich kein besonders dramatischer Rückschlag.“
Wann haben Sie das erste Mal während der Saison geglaubt, dass es tatsächlich mit dem Titel klappen könnte? Feller: „Bei mir hat es so ein bisschen am Lausitzring nach der Pole-Position angefangen, als ich gemerkt habe, dass wir im Titelkampf richtig dabei sind. Aber man ist dann immer noch unsicher, da noch viel passieren kann. Aber nach der Pole am Nürburgring habe ich gedacht: Ja, das wird was.“
Mies: „Bei mir war es erst nach dem Samstagsrennen auf dem Nürburgring. Ich bin generell ein eher pessimistischer Mensch und hatte erwartet, dass Porsche und Mercedes-AMG am Nürburgring stärker sind als wir. Deswegen war ich ziemlich überrascht, dass wir am Samstag gewonnen haben. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt 17 Punkte Vorsprung. Da war es klar, dass wir nicht auf Biegen und Brechen vorne sein müssen, sondern Platz acht reichen würde. Allerdings hat man dann am Sonntag gesehen, wie schnell es umschlagen kann.“
Wie haben Sie dann diesen entscheidenden Sonntag erlebt? Er fing mit dem Nebel am Morgen und der daraus resultierenden zweistündigen Verschiebung des Qualifying nicht normal an. Hat Sie das irgendwie beeinflusst? Mies: „Die Verspätung und die Bedingungen haben mir nichts ausgemacht. Um ehrlich zu sein, habe ich sogar auf Regen oder Mischbedingungen gehofft, da ich unsere Chancen dann größer einschätzte. Ich bin bei den unterschiedlichsten Bedingungen schon so viele Runden auf dem Nürburgring gefahren, ich kenne daher die verschiedenen Linien und war entsprechend optimistisch. Im Rennen sind wir nach dem Boxenstopp leider hinter der Corvette herausgekommen und haben dort viel Zeit verloren. Sonst wären wir irgendwo zwischen drei und fünf ins Ziel gekommen. Stattdessen sind wir zwischenzeitlich aus den Top 10 herausgefallen. Und als Ricky von Porsche-Pilot Sven Müller angegriffen wurde, dachte ich schon, der Titel ist weg. Zum Glück ist dann aber alles für uns noch gut ausgegangen.“
Feller: „Das war das krasseste Rennen, dass ich je gefahren bin. Es war extrem emotional. Ich hatte viel Druck, da ich nichts falsch machen wollte, um unsere Titelchancen nicht zu versauen. In so einer Situation war ich vorher noch nicht, da ist es viel einfacher, von der Pole zu starten. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich nach dem Stopp hätte probieren müssen, an der Corvette vorbeizugehen. Im Rennen wollte ich aber kein Risiko eingehen und bin dadurch mitten in eine Kampfgruppe geraten, in der auch vor Kontakt nicht zurückgeschreckt wurde. Als ich es dann geschafft habe, war ich erleichtert. Ich hatte mir vorgestellt, wie es sein könnte, wenn man den Titel gewonnen hat, und ob ich Donuts oder so etwas mache. Dafür hatte ich nicht die Kraft oder Energie, ich lag im Auto und wollte einfach nur noch diesen megaschönen Moment genießen.“
Wie schätzen Sie den Titelgewinn ein? Mies: „Ich habe den Erfolg in diesem Jahr viel bewusster als 2016 genossen. Die Konkurrenz ist einfach viel härter, das Niveau deutlich höher. Es ist sehr schwierig, den Titel zu gewinnen. Daher habe ich den Titel sehr genossen und gut zelebriert.“
Feller: „Er ist wirklich etwas ganz Besonders für mich. Zuletzt hatte ich im Kartsport einen Titel gewonnen. Die Meisterschaft war sehr wichtig und hat mir natürlich auch Türen geöffnet, was meine Motorsport-Zukunft angeht.“
Nun noch etwas Lobhudelei: Was macht Ihren Teamkollegen so gut? Mies: „Ricky ist immer relaxt und sehr abgeklärt für sein Alter, obwohl er erst 21 Jahre alt ist. Wir sind 2019 in den USA das erste Mal zusammen gefahren, da man schon gesehen, wie schnell er ist. Aber er war vielleicht noch etwas zu ungestüm in manchen Situationen – was auch normal ist, wenn man jung ist. Er hat sich seitdem unheimlich weiterentwickelt und hat sicher davon profitiert, dass er viel gefahren ist – auch international.“
Feller: „Christopher hat einfach eine Riesenerfahrung und das spürt man als Teamkollege sofort. Das hat man zum Beispiel beim schon angesprochenen Sonntagsrennen auf dem Lausitzring gesehen. Er hatte da keine einfache Aufgabe, aber das ganze souverän gemeistert. Ich habe immer volles Vertrauen in ihn und weiß, dass er das Auto immer heil ins Ziel bringt. Wir arbeiten einfach sehr gut auf und neben der Strecke zusammen.“
Ein wichtiger Faktor beim Titelgewinn war sicherlich auch Montaplast by Land-Motorsport. Was zeichnet die Mannschaft von Christian und Wolfgang Land aus? Mies: „Ich fahre seit 2016, dem Einstieg des Teams in das ADAC GT Masters, für Land. Die Premierensaison war mit drei Meisterschaften schon sensationell. Und auch in den Jahren danach lief es fast immer sehr gut. Land ist sicherlich eines der erfolgreichsten Teams der vergangenen fünf Jahre. Eine der Stärken ist die super Vorbereitung der Autos, sie sind immer in einem Topzustand. Das Team ist auch sehr eingespielt. Viele der Jungs an unserem Auto waren schon 2016 dabei.“
Feller: „Mir gefällt, dass sie ein echtes Team sind, alle halten zusammen. Zudem ist die Mannschaft auf dem Boden geblieben. Es gibt keine große überdimensionale Hospitality, das Geld fließt eher ins Auto – was mir ehrlich gesagt auch lieber ist. Wir hatten in diesem Jahr zum Beispiel keinen technischen Ausfall. Ich mag Land-Motorsport einfach, es hat von Anfang an zwischen uns gepasst.“
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wie geht es 2022 weiter? Werden Sie den Titel verteidigen – vielleicht sogar wieder als Teamkollegen? Mies: „Ich würde mir persönlich wünschen, dass es so weitergeht. Aber das Ganze ist natürlich eine vertragliche Sache. Realistisch wird es bestimmt bis Februar dauern, bis man weiß, wie es nächstes Jahr weitergehen wird.“
Feller: „Schön wäre es auf jeden Fall, wenn wir uns wieder ein Auto teilen könnten. Aber das hängt von sehr vielen Faktoren ab. Wir müssen mal schauen, wie sich die Dinge entwickeln.“