ADAC GT Masters·28.6.2021

Nach dem Streckenumbau: Zandvoort im Champion-Check

Christopher Mies (32/Heiligenhaus), ADAC GT Masters-Champion von 2016, analysiert die 2019/2020 umgebaute Rennstrecke von Zandvoort. Die Deutsche GT-Meisterschaft fährt auf dem 1948 eröffneten Traditionskurs der Niederlande am 10. und 11. Juli das fünfte und sechste Saisonrennen.

Christopher Mies startet mit Teamkollege Ricardo Feller (21/CH) in einem Audi R8 LMS von Montaplast by Land-Motorsport. In Zandvoort holte er 2017 einen Laufsieg, 2019 erzielte er dort beim bisher letzten Auftritt des ADAC GT Masters in den Niederlanden die Pole-Position und die schnellste Rennrunde. Erster und wichtigster Eindruck nach dem Umbau

Christopher Mies: „Am auffälligsten und spürbarsten beim Fahren sind die beiden neu eingebauten Steilkurven, wie man sie sonst nur von den Ovalkursen in den USA kennt. Cool, dass wir so etwas jetzt auch in Europa haben. Die Steilkurven auf dem Lausitzring werden ja nicht mehr in vollem Umfang benutzt. Und das Karussell auf der Nürburgring-Nordschleife bietet auch nichts Vergleichbares wie die beiden neuen Zandvoort-Steilkurven.“

Zandvoorts neue Steilkurven im Detail

Christopher Mies: „Die Steilkurve, die auf die Zielgerade führt, geht in einem GT3-Fahrzeug locker mit Vollgas – sogar im Regen. Die Fahrbahn hat in dieser langgezogenen, zum Außenrand ansteigenden Rechtskurve einen Neigungswinkel von 18 Grad. Dadurch wirken die Fliehkräfte statt zur Seite nach unten und produzieren so sehr stabilen Abtrieb. Nach wie vor gibt es in der Schlusskurve von Zandvoort nur eine ideale Fahrlinie. Die erste der beiden überhöhten Zandvoort-Kurven ist neuerdings die enge 180-Grad-Kehre, die auf der Rückseite der Start-Ziel-Geraden mitten durchs Fahrerlager verläuft. Dort macht die ebenfalls nach außen erhöhte Neigung jetzt mehr als nur eine Linie möglich. Das sorgt im Rennen, wie ich es schon erleben konnte, für sehr viele Positionskämpfe. Diese Stelle ist DER neue Überholspot in Zandvoort. Hinzu kommt: Der gegenüber früher leicht erweiterte Radius lässt am Kurvenausgang im GT3-Auto 10 bis 15 km/h höheres Tempo zu. Es geht also spürbar flotter den Berg hinauf ins schnelle Geschlängel durch die Dünen. Und wer die schnellere Linie aus der Kurve gewählt hat, hat danach jetzt auch bergauf Überholchancen.“

Tarzan-Kurve ohne Kiesbett

Christopher Mies: „Mit mehr Risiko als bisher fahre ich die Tarzan-Kurve am Ende der Start-Ziel-Geraden jedenfalls nicht in Zandvoort. Auch wenn es dort links am Außenrand kein Kiesbett mehr gibt, sondern eine Asphaltfläche und Ausrutscher deshalb nicht mehr gleich zum Ausfall führen. Doch es führt nur eine optimale Linie durch diese 180-Grad-Kurve. Wenn du zu schnell bist und die nicht triffst, verlierst du viel Zeit.“

Neuer Knackpunkt Boxenausfahrt

Christopher Mies: „Die Boxenausfahrt liegt in Zandvoort jetzt hinter statt vor der Tarzan-Kurve. Beim Rausfahren bist du also deutlich länger im Speedlimit-Modus unterwegs. So werden die Boxenstopps insgesamt länger. Frühe Stopps können dadurch eher problematisch werden. Denn dabei läufst du Gefahr, früher überrundet zu werden. Kommt kurz danach eine Safety-Car-Phase, hast du ein richtig großes Problem. Die Rennstrategie wird so in Zandvoort zu einer größeren Herausforderung.“

Reifenverschleiß noch kritischer

Christopher Mies: „Der neu aufgelegte und der im hinteren Streckenteil unveränderte Asphalt sind sehr aggressiv. Das bedeutet, in Zandvoort ist der Reifenverschleiß sehr hoch. Das war er dort ja immer schon, er ist jetzt aber durch die möglichen höheren Geschwindigkeiten noch mal um schätzungsweise zehn Prozent gestiegen. Das bedeutet: Du schaffst im Qualifying mit frischen, optimal haftenden Reifen maximal zwei schnelle Runden. Im Rennen brauchst du ein deutlich reifenschonenderes Set-up als bisher. Andernfalls musst du schon nach rund zwanzig Minuten zum ersten Reifenwechsel.“

Überholen stellenweise leichter

Christopher Mies: „Nicht nur die erste neue Steilkurve eröffnet, wie schon erwähnt, in Zandvoort neue Überholmöglichkeiten. Vor der Tarzan-Kurve kann man sich jetzt länger im Windschatten an einen vorausfahrenden Gegner ansaugen. Die Erklärung dafür: Die höheren Geschwindigkeiten, welche die große Steilkurve vor Start/Ziel jetzt möglich macht, erfordern rund zehn Meter eher als früher das Bremsmanöver. Das bedeutet: Die Verzögerungsphase ist etwas länger. So hast du mehr Raum und Zeit, dich beim Bremsen neben einen Gegner zu platzieren und einen Überholversuch zu machen. Trotzdem bleibt das Überholen in Zandvoort schwieriger als anderswo. Die vielen langsamen Kurven machen es dir nämlich weiterhin relativ leicht, einen von hinten drängenden Angreifer abzuwehren. Du musst immer noch deutlich schneller sein als dein Vordermann, um eine Chance zu haben vorbeizukommen.“

Fazit

Christopher Mies: „Die umgebaute Zandvoort-Strecke ist dank der beiden neuen Steilkurven schneller. Das Überholen wird dadurch etwas leichter, der Reifenverschleiß höher als bisher. Das macht die Rennen dort für uns Fahrer und für die Fans auf jeden Fall spannender.“