Tamires Lustosa ist eine Frau, die sich im Motorsport durchgesetzt hat. Die in São Paulo geborene Brasilianerin ist Daten-Ingenieuren und hat in den vergangenen Jahren für verschiedene Rennställe im ADAC GT Masters gearbeitet. In der Saison 2022 war sie beim österreichischen Neueinsteiger Team Eastalent Racing für die harten Zahlen und Fakten zuständig. Im Interview redet die 33-Jährige über ihren Werdegang, ihre Arbeit und ihr Verhältnis zu den Fahrern.
Wie sind Sie zum Motorsport gekommen?
Ich hatte als Kind keine Beziehung zum Motorsport, habe mich aber schon immer für Technik interessiert und nach der Schule Elektro-Ingenieurwesen studiert. Danach wollte ich eigentlich in der Industrie arbeiten, doch dann haben wir an der Universität ein Projekt mit einem Formel-Auto begonnen und sind gegen andere Unis Rennen gefahren. Das hat mein Interesse geweckt, zumal mein damaliger Freund Rennfahrer war. Deswegen habe ich nach meinem Abschluss beim Porsche Carrera Cup Brasilien als Daten-Ingenieurin angefangen.
Was hat Sie nach Europa verschlagen?
Ich war während meines Studiums bereits in England und auch kurz in Deutschland, wollte aber langfristig in Europa arbeiten und bin vor fünf Jahren nach Österreich gekommen. Dort war ich zuerst bei HB Racing. Wir sind im ADAC GT Masters mit Lamborghini gestartet. 2019 haben wir die Rennen mit dem einzigen Ferrari im Grid bestritten. Danach hat mir Herberth Motorsport die Chance geboten, als Renningenieurin zu arbeiten, obwohl ich darin gar keine Erfahrung hatte. Dabei habe ich viel gelernt.
Wie ist es, als Frau in einer Männerdomäne zu arbeiten?
Das ist kein Problem. Es dauerte ein bisschen, ehe ich mir das Vertrauen von allen erarbeitet hatte, weil ja fast nur Männer im Motorsport arbeiten. Das ist aber normal. In einem Beruf, in dem nur Frauen arbeiten, hätten es Männer zu Beginn auch etwas schwerer gehabt.
In der Saison 2022 waren Sie für das neue Team Eastalent Racing tätig. Wie sieht die Arbeit bei einem Rennstall aus?
Als Daten-Ingenieurin zeichne ich alles auf und analysiere, was das Auto und was der Pilot macht. Sagt der Fahrer mir, dass das Auto über- oder untersteuert, schaue ich mir Daten wie Bremspunkte, Lenkung, Kurvenverhalten etc. an. Danach gebe ich Empfehlungen ab, zum Beispiel andere Bremspunkte zu finden oder eine andere Linie zu fahren. Wenn sich der Pilot daran hält und es ändert sich nichts, hat der Renningenieur das letzte Wort. Mein Ziel ist es, anhand der Daten den Stil des Fahrers und das Charakteristische des Autos optimal aneinander anzupassen. Es ist ein Kompromiss und den versuche ich durch die Auswertung allen Daten herausfinden. Manchmal liegt es am Fahrer, wenn das Auto falsch reagiert und es ist nicht leicht, ihn davon zu überzeugen. Aber die Piloten vertrauen mir, denn sie wissen, dass ich das Maximum für sie herausholen möchte.
Wie würden Sie das ADAC GT Masters beschreiben?
Im Gegensatz zur Langstrecke ist in den Sprintrennen der gesamte Ablauf total komprimiert. Das Qualifying ist enorm wichtig und man muss in ganz kurzer Zeit alles zusammenbringen, um ein konkurrenzfähiges Gesamtpaket hinzukriegen. Der Druck ist hoch bei diesen sehr kleinen Zeitfenstern, aber solche Herausforderungen machen mir Spaß und ich habe in den vergangenen Jahren viel Selbstvertrauen gewonnen.
Warum gibt es die Rennfahrerin Tamires nicht?
Ich bin mal Kart gefahren, habe aber schnell gemerkt, dass man unheimlich viel als Fahrer investieren muss, um ganz vorn mit dabei zu sein. Mich hat das Engineering schon immer viel mehr interessiert, auf der Strecke sollen sich andere austoben.
Was machen Sie nach der Arbeit an der Strecke?
Ich gehe ins Hotel und schlafe. Unser Job geht häufig bis tief in die Nacht, es gibt viele Daten und verschiedene Möglichkeiten, ein Problem zu lösen. Wenn ein bisschen Zeit bleibt, trinke ich schon mal mit den Kollegen ein Bier. Party mache ich aber immer nur nach der Saison.
Was können wir von Ihnen noch im Motorsport erwarten?
Wie bei den Fahrern wäre es natürlich auch für mich ein Traum, in die Formel 1 zu gehen. Ich würde auch gern bei den Prototypen arbeiten. In Le Mans habe ich schon im GT-Bereich Erfahrungen gesammelt. Mein ganz großes Ziel ist aber, mein eigenes Team zu haben.