In Ihrer neuen Position als DMSB-Vorsitzender sind Sie der Repräsentant des deutschen Motorsports. Schlägt Ihr Herz als passionierter Automobil-Sportler auch für den Zweiradsport?
Hans-Joachim Stuck: "Wenn es meine Zeit erlaubt, schaue ich mir im Fernsehen gerne die Rennen der MotoGP und der anderen WM-Klassen an. Mit besonderem Interesse beobachte ich, wie Stefan Bradl in der Königsklasse und Sandro Cortese in der Moto3 vorne in der Weltspitze mitmischen. Wie diese Piloten ihr Bike beherrschen: Respekt!"
Sind Sie jemals auf zwei Rädern unterwegs gewesen?
Hans-Joachim Stuck: "Auch wenn ich mit Autos groß geworden bin, war der Reiz immer da, alles zu bewegen, was einen Motor hat. Motorräder sind da keine Ausnahme - auch wenn ich diese heute nur noch nutze, um an der Rennstrecke ins Fahrerlager zu fahren."
Im deutschen Motorradsport haben wir in diesem Jahr eine Situation, die so noch nie dagewesen ist. Die deutschen Motorradsportler sind erfolgreich wie selten zuvor: Mit Ken Roczen hat die Motocross-Szene den ersten Weltmeister seit mehr als 40 Jahren und mit Stefan Bradl hat auch die MotoGP wieder einen Top-Fahrer aus Deutschland. Gibt es Pläne, diese Situation zu nutzen und den deutschen Motorradsport weiter zu fördern? Und wenn ja, wie?
Hans-Joachim Stuck: "Das vergangene Jahr war sicherlich eines der erfolgreichsten in der Geschichte des deutschen Motorsports. Die deutschen Fans durften sich über insgesamt sieben Weltmeisterschaftstitel freuen - sensationell! Bekanntlich braucht ein erfolgreiches Leistungssportsystem für die Talentsuche und Talentförderung effektive Strukturen. Der DMSB fördert erfolgreich junge und talentierte Motorsportler in den DMSB-Junior-Teams und unterstützt die DMSB-Nationalmannschaften in verschiedenen Disziplinen. Ziel muss es sein, neben den DMSB-internen Möglichkeiten auch staatliche Fördermittel zu nutzen - schließlich vertreten die Sportler die deutschen Farben. Man darf aber nicht vergessen, dass es auch wichtig ist, den Nachwuchs an den Motorsport heranzuführen. Denn ohne die nächste Generation sind in Zukunft Erfolge wie von Stefan Bradl und Ken Roczen nicht denkbar."
Wie sehen Sie generell die Situation des deutschen Motorsports? Was sind Ihre Ziele und was muss aus Ihrer Sicht getan werden?
Hans-Joachim Stuck: "Ich bin davon überzeugt, dass wir in Deutschland bereits heute in vielen Bereichen gut aufgestellt sind. Unsere Top-Serien im Automobil- und Motorradsport sind über die Grenzen hinaus anerkannt. Und auch in der zweiten Liga wird hoch motiviert und sehr engagiert Motorsport betrieben. Aber bekanntlich ist nichts so gut, dass es nicht noch besser gemacht werden könnte. Ich will versuchen, die richtigen Menschen zusammenzubringen, um für unseren Sport etwas zu bewegen. Ein Beispiel: Durch meine Tätigkeit als Motorsportrepräsentant für Volkswagen in den vergangenen Jahren, habe ich spannende Einblicke in Zukunftstechnologien erhalten, die mir verdeutlicht haben, wie stark sich unser Sport in den kommenden Jahren verändern wird. Diesen Prozess würde ich gerne aktiv begleiten. Gemeinsam mit meinen Präsidiumskollegen will ich zudem versuchen, unseren Sport in den kommenden Jahren voranzubringen."
Ihre Aufgabe als DMSB-Präsident ist ein Ehrenamt. Wo nehmen Sie die Motivation für diese ja doch recht umfangreiche Aufgabe her? Als Profisportler könnten Sie ja jetzt nach ihrer aktiven Zeit auch andere und auch lukrativere Aufgaben übernehmen. Was treibt Sie an?
Hans-Joachim Stuck: "Ich möchte ganz einfach ein bisschen von dem zurückgeben, was ich selbst im Motorsport erleben durfte. Ich habe unheimlich viele tolle Leute kennengelernt, sehr intelligente Köpfe und vor allem viele Menschen, die mit Herzblut ihren Sport betreiben. Diese Möglichkeiten soll auch die nächste Generation haben, und dafür möchte ich mich einsetzen. Trotz all meiner Rennsporterfahrung gibt es für mich noch eine Menge zu lernen. Das ist im Moment ein sehr spannender Prozess."
Der Zweiradsport hat in der Öffentlichkeit ja lange nicht den Stellenwert wie der Automobilsport. Woran liegt das Ihrer Meinung nach und was kann getan werden, um das zu ändern? Ist das ein typisch deutsches Phänomen?
Hans-Joachim Stuck: "Deutschland ist eine Autofahrer-Nation und einer der bedeutendsten Absatzmärkte der Welt. Daher gibt es auch ein großes Interesse von Sponsoren, die sich in ausgewählten Serien im Automobilsport stark engagieren. Dadurch fließt genügend Geld in die Kassen der Serienorganisatoren, die damit wiederum eine für die Sponsoren adäquate Fernsehübertragung sicherstellen können. Dagegen ist es bei uns bisweilen noch schwierig, den Zweiradsport auf einem vergleichbaren Level zu vermarkten - auch, weil es den Motorradimporteuren schwerer fällt, sich auf dem Level der Automobilbranche finanziell zu engagieren. Trotzdem muss unser gemeinsames Ziel sein, nach und nach mit TV-Übertragungen die richtigen Impulse zu setzen, damit der Motorradsport für weitere Sponsoren interessant wird. Das ist ein langwieriger Prozess, bei dem auch Mal Rückschläge verdaut werden müssen."
Der Motorradsport hat das Zeug zum Breitensport und hat viel Rückhalt in unzähligen Vereinen. Obendrein bietet der Motorradsport noch Motorsport zum Anfassen. Die Zuschauer können ganz nah ran an Fahrer und Technik. Warum ist das im Automobilsport nicht mehr möglich?
Hans-Joachim Stuck: "Dem stimme ich so nicht ganz zu. Auch im Automobilsport gibt es sehr viele Serien, bei denen die Besucher familienfreundliche Angebote im offenen Fahrerlager erwarten dürfen, wo jederzeit der Blick hinter die Kulissen möglich ist und Benzingespräche mit den Piloten geführt werden können. Natürlich gibt es Serien, wo Fahrer und Fahrzeuge nur im begrenzten Maß für die Fans zur Verfügung stehen können. Du hast als Fahrer im professionellen Motorsport eben manchmal einfach keine freie Minute, wenn unzählige TV- und Medien-Termine sowie 'Motorsport zum Anfassen' für die Sponsoren auf dem Programm stehen. Ich bin sicher, das Business ist auch in der Spitze des Motorradsports ähnlich."
Können wir Sie auch einmal beim ADAC MX Masters begrüßen? Dem höchsten Prädikat im deutschen Motocross.
Hans-Joachim Stuck: "Ich bin als neuer DMSB-Präsident noch dabei, Ideen aufzunehmen, Stimmungen auf mich wirken zu lassen - gerade in Bereichen, in denen ich nicht so viel Erfahrung habe. So werde ich mich Schritt für Schritt tiefer in den Motorradsport einarbeiten. Ein Besuch beim höchsten Prädikat im deutschen Motocross gehört da selbstverständlich dazu. Aber bitte haben Sie Verständnis dafür, wenn ich eine Einladung einmal nicht sofort annehmen kann."
Interview: Marion Englert; Foto: DMSB