ADAC MX Masters·29.8.2013

Das Start-Geheimnis: Meister des Holeshot

Beinahe flüsternd senken die Fahrer die Stimme, wenn sie über das größte Geheimnis im Motocross sprechen. Manche können es richtig gut, manche scheitern bereits daran, bevor das Rennen richtig losgegangen ist. Das große Mysterium lautet: Wie gelingt ein perfekter Start. Dennis Ullrich weiß, wie es geht. In fünf von zehn Läufen im ADAC MX Masters kam er als Schnellster durch die erste Kurve und gewann damit den so genannten Holeshot.

Richtig eingraben

"Ich beschreibe es als die Suche nach dem perfekten Grip", erklärt Ullrich, "und die Kunst liegt in der Vorbereitung." Zunächst kratzt Ullrich mit seinen Stiefeln eine Furche für das Vorder- und Hinterrad seines Motorrades an dem von ihm ausgewählten Startplatz. Doch Furche ist nicht gleich Furche, denn je nach Bodenbeschaffenheit muss sie anders vorbereitet werden. "Bei Sand stehe ich hinten höher, damit sich das Bike nicht eingräbt. Ist es staubig, suche ich feuchten Boden für besseren Halt", erläutert Ullrich. "Ich kratze meist ziemlich tief, damit die Stollen des Reifens auch an der Seite greifen", meint ADAC MX Youngster Cup Pilot Henry Jacobi.

Wenn vor dem Start das Schild "15 Sekunden" hochgehalten wird, atmet Ullrich noch einmal tief durch. Beim Fünf-Sekunden-Board legt er den Gang ein und beginnt mit der Konzentrationsphase. "Ich blende alles andere aus, versuche ruhig zu bleiben", sagt Ullrich. Auch Jacobi, der früher mit der 85er fast jeden Start gewann, setzt auf Ruhe: "Das Gatter fällt zwischen fünf und sieben Sekunden nach dem letzten Schild. Die intensivste Konzentration dauert bei mir vier Sekunden. Man darf also nicht zu früh anfangen", meint Jacobi.

Youtube-Star mit fast 2,5 Millionen Clicks

Ganz anders läuft die Vorbereitungsphase bei ADAC MX Junior Cup Fahrer Gianluca Facchetti. Mit seinem wilden Start-Pozedere ist der Italiener mit knapp 2,5 Millionen Klicks ein Youtube-Star. Von Ruhe vor dem Start keine Spur: Facchetti wedelt wild mit den Armen, feuert sich durch lautes Schreien selbst an, zappelt mit den Füßen und trommelt sich auf Brust und Helm. "Das ist bei mir keine Show", erklärt Facchetti, "das sind Gefühle, die raus müssen." Wenn der 13-Jährige im Interview vor seinem Motorhome über das Adrenalin in ihm spricht, wirkt er ganz entspannt und überhaupt nicht wie der Zappelphilipp auf dem Motorrad. Scheinbar hat er intuitiv einen Weg gefunden, seine Nervosität vor dem Start abzubauen.

Thymusdrüse und Reaktionstraining

"Einige Bewegungen vor dem Start machen durchaus Sinn", erläutert Sportpsychologe Gernot Emberger aus Köln. "Wenn man sich beispielsweise auf den Brustkorb klopft, sitzt dort die Thymusdrüse. Sie wird durch das Klopfen aktiviert, schüttet Hormone aus und aktiviert das Gesamtsystem. Der Körper wird leistungsfähiger." Gute Reaktionszeiten für einen perfekten Start lassen sich auch trainieren. Trainer Thomas Kneip, der Dennis Ullrich betreut, macht mit seinem Schützling regelmäßig Reaktionstraining. "Ich stehe mit dem Rücken zum Trainer und er wirft mir einen Ball zu. Ganz spät kommt erst die Ansage, ob ich rechts oder links fangen muss", beschreibt Ullrich eine Übung.

Rituale helfen

Je ritualisierter der Prozess vor dem Startgatter abläuft, desto besser, meint Top-Starter Lars Reuther. "Auch wenn es mal schlecht funktioniert, ändere ich beim nächsten Mal nichts", sagt der Führende im ADAC MX Youngster Cup. Was er ganz genau macht, möchte der 20-Jährige nicht verraten. "Da bin ich abergläubisch. Sonst kennt ja jeder mein Erfolgsrezept." Etwas entspannter ist da der Schwede Emil Löfquist. Löfquist, der im kommenden Jahr die komplette ADAC MX Masters Saison bestreiten möchte und sich momentan noch auf die schwedische Meisterschaft konzentriert, erklärt: "Vor jedem Start bin ich sehr nervös. Ich schaue mir die Gegner an und schlackere etwas mit den Händen. Beim 15-Sekunden-Signal setze ich meine Brille auf, beim 5-Sekunden-Board lege ich den zweiten Gang ein, ab dann kommt die volle Konzentration." Die geistige Anspannung beschreibt Reuther als extrem intensiv: "Ich bekomme dann einen Tunnelblick so wie früher Oliver Kahn." Letztendlich muss jeder Fahrer herausfinden, welche Startprozedur für ihn am besten ist. "Es ist auch eine Frage des Selbstvertrauens", erklärt Jacobi, "wer selbstbewusst an die Sache rangeht, dem gelingt auch ein guter Start."