Das ADAC Racing Weekend wurde für den Amateur- und Semiprofi-Motorsport entwickelt, doch das hält manche Teilnehmer nicht davon ab, in Eigeninitiative mit technischen Innovationen in den verschiedenen Serien des ADAC Racing Weekend anzutreten. In der vergangenen Saison haben sich dabei zwei Teams auf den Einsatz innovativer Kraftstoffe konzentriert: Dinger Motorsport setzte bei den Tourenwagen Legenden mit großem Erfolg auf Bioethanol und der Toyota Supra GT4 von der Mannschaft Griesemann Gruppe by TR Team wurde beim Finale des GTC Race von eFuel angetrieben.
Das Team Dinger Motorsport beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema nachhaltige Kraftstoffe. Von 2014 bis 2016 fuhr der heutige Teamchef Thomas Dinger einen BMW M3 E30, eine Replika des Winkelhock-DTM-Fahrzeugs aus 1992, mit E85 in der VFV-GLPpro. Als E85 dann von den deutschen Tankstellen verschwand, wurde das Projekt eingestellt. 2019 kam die Idee von alternativen Kraftstoffen im Motorsport im Hause Dinger aber wieder auf den Tisch. „Wir wollten insbesondere der Jugend, die zu diesem Zeitpunkt jeden Freitag für das Klima auf die Straße ging, zeigen, dass Motorsport auch umweltfreundlicher machbar ist. So entstand dann der Plan, einen BMW 325i mit E100-Treibstoff aus nachhaltiger Produktion, also mit Bioethanol, einzusetzen.“
Mitte 2020 startete bei Dinger Motorsport die intensive Phase der Entwicklung und Anfang 2021 lief der erste Motor mit E100 auf dem Prüfstand. Noch im gleichen Jahr absolvierte das Fahrzeug mit Yannik Dinger und Luca Trunck am Steuer ausgewählte Veranstaltungen der VFV-GLPpro, bevor das 2,5-Liter-Aggregat 2022 durch ein 2,8-Liter-Triebwerk ausgetauscht wurde. „Wir wollten einfach mehr Leistung, deshalb diese Umstellung.“ Auch mit der neuen technischen Konfiguration und der ebenfalls neuen Fahrerpaarung Yannik Dinger / Daniel Wendler standen 2022 zunächst die Gleichmäßigkeitsprüfungen der VFV-GLPpro auf dem Programm; eine Serie, die auch schon einige Male im Rahmen des ADAC Racing Weekend angetreten ist.
Im vergangenen Jahr dann war die Technologie so weit ausgereift, dass das Team aus dem Schwarzwald den Sprung von der VFV-GLPpro zum herkömmlichen Rennsport wagte. Man schrieb sich mit Yannik Dinger als Fahrer bei den Tourenwagen Legenden ein, die sich schon bei der ersten Kontaktaufnahme begeistert von dem innovativen Konzept zeigten. Und auch sportlich sollte es für Yannik Dinger richtig gut laufen, er beendete die Saison mit dem Titelgewinn bei den Tourenwagen Legenden. „Sportlich war es eine tolle Saison, wir hätten niemals mit einem solchen Erfolg gerechnet. Schon beim Auftakt konnte Yannik unseren BMW vor Klaus Ludwig auf die Pole Position stellen. Wir sind übrigens in der gleichen Klasse gefahren, in der auch die Stars wie Klaus Ludwig eingeschrieben waren. Yannik hatte also in jedem Rennen wirklich harte Gegner, mit denen er sich messen musste und durfte – aber das wollten wir auch, denn wir wollten ja zeigen, dass ein Rennwagen auch mit Bioethanol absolut konkurrenzfähig sein kann,“ so Thomas Dinger. „Insgesamt haben wir uns bei den Tourenwagen Legenden 2023 sehr wohl gefühlt und wurden von den Teilnehmern, unter ihnen neben Ludwig noch weitere Legenden des deutschen Tourenwagen-Sports, sehr gut aufgenommen.“
Auch technisch konnte der Teamchef sehr zufrieden sein. „Erstmal muss ich natürlich unseren Hauptsponsor BMW Ratzel und unseren wichtigsten Entwicklungspartner Auto-Zentrum Bauer aus Achern erwähnen, ohne deren Einsatz wäre solch ein Projekt für ein kleines Team, wie wir es sind, niemals möglich gewesen. Wenn man einen herkömmlichen Motor mit E100 betreiben will, das in vielerlei Hinsicht etwas ganz anderes ist als normales Benzin, dann gibt es viele Dinge, die verändert und angepasst werden müssen. Beispiele dafür sind die Kraftstoffleitungen oder der Tank. Sicher gab es auch mal Rückschläge wie den Motorschaden im Rahmen des 24-Stunden-Rennens, als die Ölpumpe versagt hat; aber das gehört dazu und daraus lernt man. Wir haben damals erkannt, dass die alte Ölpumpe mit der Entwicklung des Fahrzeugs nicht mehr Schritt halten konnte und mussten eine leistungsstärkere Pumpe einbauen.“
Dinger Motorsport möchte den Einsatz von Bioethanol im Motorsport auch in Zukunft weiter optimieren und die Technologie verbreiten. „Bioethanol ist ein pflanzlicher Rohstoff, von dem es für den großflächigen Einsatz im Straßenverkehr sicherlich nicht genug gibt. Aber ich denke, dass es eine sehr gute Alternative ist, um in Zukunft nahezu emissionsfrei mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor Motorsport betreiben zu können.“
Zum Finalwochenende des GTC Race auf dem Nürburgring kam mit der Griesemann Gruppe by TR Team eine Mannschaft, die sich ebenfalls auf nachhaltige, alternative Kraftstoffe fokussiert. Heiko Hammel und Georg Griesemann traten mit einem Toyota Supra in der GT4-Klasse an und nutzten eFuel als Treibstoff. „eFuels basieren auf regenerativer Energie und sind CO2-neutral, werden aber aufgrund ihres Effizienzgrades häufig negativ dargestellt. Gemeinsam mit Toyota wollten wir mit diesem Projekt beweisen, dass eFuels schon jetzt eine gute Alternative zu herkömmlichem Treibstoff sind. Und das Beste: Man kann sie in so gut wie jedem Verbrenner-Fahrzeug nutzen, ohne dass man einen Leistungsverlust im Vergleich zu fossilem Kraftstoff hinnehmen muss und ohne dass etwas am Fahrzeug verändert werden muss“, so Georg Griesemann, der den Motorsport auch als Innovationsträger für die allgemeine Mobilität versteht.
Ursprünglich sollte der Toyota Supra nur beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring fahren. Aufgrund der positiven Resonanz und weil noch eFuel verfügbar war, entstand schnell die Idee eines Gaststarts im GTC Race, das alle Rennen im Rahmen von ADAC Racing Weekends austrägt. „Das GTC Race ist eine etablierte Rennserie, deren Macher sehr offen für unser Projekt waren. Und was uns auch wichtig war: Wir konnten in einer Klasse mit Fahrzeugen mit herkömmlichem Kraftstoff antreten. Schließlich wollten wir ja zeigen, dass wir mithalten können und eFuels keinen Unterschied machen, außer dass sie CO2-neutral sind“, sagte Griesemann. Mit Rang drei in der GT4-Klasse des zweiten GT Sprints konnte Heiko Hammel dies unter Beweis stellen.
Die aktuell größte Herausforderung ist die Verfügbarkeit von eFuels, da sie noch nicht industriell hergestellt werden. Der Treibstoff für den GTC- und den Nordschleifen-Einsatz stammte von Nordoel, die diesen in einer Forschungsanlage mit der FU Freiberg produziert haben. Griesemann: „Für die Herstellung von eFuels benötigt man eine Menge Strom, da eine Vielzahl von Prozessschritten notwendig ist. Wenn man allein den Wirkungsgrad der eingesetzten Energie bewertet, haben batterieelektrische Fahrzeuge einen Vorteil. Allerdings punkten eFuels neben ihrer Klimaneutralität dadurch, dass die gesamte vorhandene Infrastruktur genutzt werden kann – von den Autos bis hin zu den Tankstellen. Sie bieten zudem überall dort eine klimafreundliche und nachhaltige Alternative, wo die eMobilität nicht oder nur langsam umsetzbar ist – beispielsweise als Ersatz für Flugkraftstoff oder als Treibstoff für Schiffe. Und für den Motorsport wäre es eine Option, mit der man einen Großteil der aktuell vorhandenen Rennwagen mit Verbrennungsmotor in Zukunft auch weiterhin klimafreundlich einsetzen könnte.“