Wer sich bei der ADAC Rallye Deutschland nicht auf die Ansagen seines Beifahrers verlassen kann, landet schnell im Aus. Kathi Wüstenhagen, die Co-Pilotin von SWRC-Aufsteiger Hermann Gassner junior, kennt das Rezept für einen exakten Aufschrieb.
"90 rechts, zwei, Vorsicht Mauer, nicht cutten" - so klingt es, wenn Kathi Wüstenhagen Skoda-Pilot Hermann Gassner junior im Rallyetempo durch die Weinberge in Trier lotst. Kurve für Kurve "betet" die 27-Jährige den Aufschrieb vor, den Blick konzentriert auf die Stichpunkte in ihrem Notizheft gerichtet. "Ich kann nicht sehen, wohin wir fahren. Höchstens spüren. Hermann muss sich darauf verlassen können, dass meine Kommandos stimmen."
Für die Erstellung des Aufschriebs haben die Teilnehmer zwei Tage Zeit. Für Wüstenhagen beginnt die Arbeit bereits im Hotelzimmer. "Ich muss schon vor der Erkundungsfahrt anhand des Road Books einen groben Trainingsplan erstellen. Darin befinden sich alle wichtigen Infos zu Länge, Richtung und Beschaffenheit der Strecke", erklärt die Co-Pilotin. "Am Dienstag und Mittwoch vor der Rallye legen wir dann richtig los und fahren die Prüfungen ab. Hermann diktiert und ich notiere. Dann erkunden wir die Wertungsprüfungen ein zweites Mal ab und ich lese vor. So hat Hermann die Möglichkeit, den Aufschrieb ein letztes Mal zu korrigieren."
Jedes Team hat sein ganz eigenes Rezept für einen gelungenen Schrieb. "Sébastien Loeb benennt die Kurven mit Gradzahlen, wir verwenden Radien", erklärt Wüstenhagen. Für eine langsame Spitzkehre notiert die junge Co-Pilotin eine 1, für eine schnelle Kurve im Vollgasmodus eine 5. Hinzu kommen Richtungsweisungen (rechts, links), Anfahrtsarten auf Kurven (cutten, nicht cutten) und Kuppen (jump). Zusätzliche Fahrdaten informieren über Grip-Niveau und Besonderheiten der Strecke. Wüstenhagen weiß: "Vor allem im Regen ist die ADAC Rallye Deutschland eine ziemlich rutschige Angelegenheit. Daher notieren wir für den Notfall die Stellen, wo es glatt werden könnte."
Am Ende der Recce hat Wüstenhagen rund 200 Seiten mit Pfeilen, Warnhinweisen, Zahlen und diversen Kürzeln gefüllt. "Am Abend ziehe ich mich zurück und schreibe alles noch einmal sauber auf. Das ist viel Arbeit, aber speziell bei der ADAC Rallye Deutschland ist die Organisation so gut, dass ich ausreichend Zeit habe, um mich vorzubereiten", so die gelernte Automobilkauffrau.
Nach dem Start zeigt sich in den kurvenreichen Weinbergen und auf den schnellen Saarland-Prüfungen, dass die Rallye Deutschland keine Fehler verzeiht. "Ich muss extrem schnell ansagen und hoch konzentriert sein. Aber genau diese Herausforderung macht die ADAC Rallye Deutschland so besonders", sagt Wüstenhagen. Zum Luftholen kommt die 27-Jährige erst auf der Panzerplatte. "Diese WP ist aufgrund ihrer Länge und dem welligen Untergrund zwar sehr anspruchsvoll, aber es geht auch viel geradeaus."
Läuft doch einmal etwas schief, weiß Wüstenhagen ihren Fahrer zu beruhigen. "Es ist wichtig, auch in kritischen Situationen die Ruhe zu bewahren und Hermann wenn nötig wieder mental aufzubauen. Wir Beifahrer sind nicht nur Lotsen, sondern auch Ratgeber."