Sébastien Loeb ist einsame Spitze. Der aktuelle Tabellenführer der Rallye-WM wurde sieben Mal in Folge Weltmeister. Auch bei der ADAC Rallye Deutschland hält der Citroën-Werkspilot einen einsamen Rekord. Alle acht Ausgaben der deutschen WM-Runde hat der Elsässer gewonnen. In wenigen Wochen schickt er sich an, mit einem weiteren Sieg bei der diesjährigen ADAC Rallye Deutschland (18. - 21. August) noch einen drauf zu setzen.
**Acht Siege in Folge bei der ADAC Rallye Deutschland. Wären Sie enttäuscht, wenn Sie diesmal nicht gewinnen würden?
Sébastien Loeb:** "Natürlich wäre ich das, ist doch klar. Aber ich weß auch, dass ich hier eines Tages nicht gewinnen werde, so ist das im Sport. Ich hoffe allerdings, dass ich in diesem Jahr wieder vorn bin. Vor allem, weil es in der Meisterschaft so eng zugeht."
Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
"Gut, es ist schließlich eine reine Asphaltrallye. Ich glaube, keinen anderen WM-Lauf habe ich so oft hintereinander gewonnen, wie bei dem in Deutschland, oder? Überhaupt habe ich in den vergangenen Jahren fast alle Asphaltrallyes gewonnen bei denen ich gestartet bin. Ich gelte wohl als Favorit. Damit muss und kann ich leben."
Man sagt Ihnen eine besondere Beziehung zur ADAC Rallye Deutschland nach. Was macht diese Veranstaltung für Sie so speziell?
"Ich kann nicht sagen, es ist mein Zuhause, aber es fühlt sich für mich schon ein bisschen so an. Meine Heimat ist nicht weit und seit ich hier starte, waren auch immer viele meiner Freunde mit dabei. Nicht nur wegen meinen Erfolgen habe ich eine sehr emotionale Verbindung zu dieser Rallye. Sondern auch, weil ich hier meinen ersten WM-Lauf gewann, so etwas vergisst man als Sportler nie. Und dann sind da auch noch die Fans und der ganz besonderen Charakter der Rallye."
Was macht die ADAC Rallye Deutschland so speziell?
"Allem voran die vielen unterschiedlichen Arten von Strecken und Belägen. Es gibt sehr schnelle Pisten, extrem schwierige Passagen, mal enge, dann wieder weite Asphaltstraßen und das Ganze noch gemischt mit sehr unterschiedlichen Belägen. Kaum ein Meter ist wie der andere, eine absolute Herausforderung."
Nach acht Saisonläufen auf Schnee und Schotter fahren sie in Deutschland mit den neuen World Rally Cars erstmals auf Asphalt. Was erwarten Sie?
"Der Citroën DS3 ist auf alle Fälle etwas nervöser als der C4. Das liegt vor allem daran, dass er kürzer ist und die neuen Autos kein Mitteldifferential mehr haben. Die Reifen werden dieses Gefühl verstärken, die Einheitsreifen von Michelin sind eben anders als die Pirellis aus dem Vorjahr. Aber nicht nur deshalb wird sich das Auto anders fahren als bisher. Darauf gilt es sich einzustellen."
Wie sieht Ihre Vorbereitung aus?
"Gerade waren wir für unseren ersten echten Asphalttest vor Ort. Zuvor bin ich den DS3 nur zweimal auf Festbelag gefahren. Im Vorjahr am Anfang der Entwicklung und vor kurzem in Satory, der kleinen Rennstrecke bei Citroen Racing. Das Gefühl für das Auto und die Balance waren aber schon da okay. Wir sind mit einem Basis-Setup angereist und haben viel probiert. Da die Strecken so unterschiedlich sind, bin ich einen Tag auf dem Militärgelände in Baumholder und jeweils einen halben Tag auf zwei verschiedenen Strecken in den Mosel-Weinbergen unterwegs gewesen."
Wie muss ein Auto abgestimmt sein, damit Sie sich auf Asphalt wohl fühlen?
"Das Wichtigste ist, dass sich das Auto gut anfühlt, die Balance muss stimmen, es sollte nur minimal untersteuern. Du musst ihm einfach trauen, seine Reaktionen genau einschätzen können. In der Kurve darf nicht einfach das Heck abgehen, es muss eine progressive Reaktion sein."
Was macht Loeb zu Loeb? Was machen Sie bei der ADAC Rallye Deutschland anders als die anderen?
"Keine Ahnung, ehrlich. Die Pisten in den Weinbergen sind sehr speziell. Und Baumholder ist so anders, so weit weg von allem anderen, was man an Asphaltpisten kennt. Es gibt sehr raue Abschnitte, saubere, weite, schnelle, mal Schotter und Dreck oder Staub - eine extreme Kombination. Dauernd ändert sich das Grip-Niveau. In jeder Kurve ist die Reifenhaftung eine andere. Diese ständigen Veränderungen und das Anpassen des Tempos oder das Finden der optimalen Bremspunkte - das macht es aus und scheint mir eben ziemlich gut zu gelingen. Ganz wichtig ist dafür ein präziser Aufschrieb. Du musst die Straße richtig fühlen, damit du gleich im ersten Durchgang einer Prüfung am absoluten Limit fahren kannst, wie auf einer Rennstrecke. Das geht nur mit perfekten Noten, ohne die kann man nicht 100% am Limit fahren und dabei auf der Straße bleiben. Vielleicht liegt es auch daran, dass französische Fahrer ein besonders gutes Gefühl für Asphaltstraßen haben. Wir sind damit aufgewachsen."
In den vergangenen Jahren haben Sie Ihren Konkurrenten auf der ersten Wertungsprüfung der ADAC Rallye Deutschland immer gleich ein paar Sekunden abnehmen können. Ist das Teil Ihrer Strategie?
"Was heißt Strategie, ich bin Rennfahrer. Auf Asphalt musst Du eben sofort am Limit sein, da darf man keine Zeit verschenken. Das ist wie beim Start zu einem Rundstreckenrennen. Es gibt sicher Fahrer, die erst ein paar Meter brauchen, aber ich gebe vom ersten Meter an Vollgas. Zudem: Kaum irgendwo spürt man beim Fahren die Geschwindigkeit so wie in den Weinbergen. Die Befriedigung danach ist riesig, auch wenn man sich wundert, wie schnell man auf diesen engen Wegen eigentlich unterwegs war. Eine echte Strategie gibt es auf Asphalt allerdings weniger."
Wen schätzen Sie von Ihren WM-Konkurrenten am stärksten ein?
"Schaut man auf die Tabelle sieht man, dass Mikko Hirvonen und Sébastien Ogier meine härtesten Gegner sind. Mein Teamkollege Ogier ist für mich dabei der schnellere. Er macht richtig Druck, sicher auch auf Asphalt."
Nun sind Sie seit über zehn Jahren Rallyeprofi. Fühlen Sie sich alt?
"Ich fühle mich nicht wirklich alt, aber ich weiß, dass ich näher am Ende als am Anfang meiner Rennfahrerkarriere stehe. Schaut man auf meine Leistung bei den vergangenen Rallyes, kann sich mein Fahrstil noch immer sehen lassen. Noch kämpfe ich um den Titel. Wie es nach dieser Saison weitergeht ist aber noch völlig offen."
Sie sind 37, nicht wenige rechnen mit Ihrem Rücktritt. Ihr ehemaliger Nachbar in Ihrer Wahlheimat Schweiz, der siebenmalige Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher ist im gleichen Alter zurückgetreten, aber drei Jahre später wieder ins Formel-1-Cockpit zurückgekehrt. Wie sehen Sie das?
"So etwas ist wirklich eine schwierige Entscheidung. Denn eigentlich will ich mich gerne weiter im Wettbewerb messen. Und vor allem will ich nicht in die gleiche Situation kommen wie Michael: Erst zurücktreten, um dann nach ein paar Jahren wieder zurückzukommen. Ich hoffe, ich werde einen anderen Weg für mich finden. Wenn ich mich aus der Rallye-WM verabschiede, sollte es für immer sein. Fahre ich dann keine Rallyes mehr, wären zum Beispiel Langstreckenrennen wie Le Mans etwas, was mir gefallen würde. Ich mag auch Rundstreckenrennen. Aber noch wichtiger: ich brauche Adrenalin. Einfach Nichts tun, kann ich nicht. Nicht jetzt und auch nicht in ein paar Jahren."
Dann wäre es am einfachsten, Sie bleiben in der Rallye-WM.
"Ich habe sieben WM-Titel gewonnen und hoffe, es klappt in diesem Jahr mit dem achten. Gewinne ich danach noch einen, weiß ich wirklich nicht, was sich dadurch für mich ändert. So etwas ist auch eine Frage der Motivation. Einerseits möchte ich gerne etwas mehr Freizeit haben und diese mit meiner Familie verbringen, andererseits brauche ich auch eine Aufgabe. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie es weitergeht. Vielleicht brauche ich auch etwas Neues. Ich habe mich noch nicht entschieden."