Katrin Becker-Brugger (41) hat in ihrer Karriere als Co-Pilotin viele Erfolge gefeiert. Zurzeit ist die Wahl-Österreicherin Tabellenführerin in der Deutschen Rallye-Meisterschaft. Allerdings nicht mit ihrem Ehemann Chris Brugger, einem erfolgreichen Rallyepiloten, sondern mit Philip Geipel (35/Plauen), mit dem sie seit 2019 im Cockpit eines Skoda Fabia sitzt.
Während der Plauener erst spät vom ADAC GT Masters zur Rallye wechselte, hat Katrin Becker-Brugger von Kindesbeinen an Rallye-Luft geschnuppert. „Ich bin in Schlitz aufgewachsen, dem Epizentrum der damaligen Hessen Rallye. Mein Vater war Mitbegründer des AC Schlitz, fuhr selbst Rallye und hat mir die Leidenschaft dafür, zum Leidwesen meiner Mutter, in die Wiege gelegt“, verrät sie.
Die ADAC Rallye Deutschland war im Jahr 2000 der erste Härtetest als Co-Pilotin für die gelernte Bankkauffrau. Aber schon nach der zweiten Wertungsprüfung war Schluss, eine defekte Antriebswelle beendete ihr Rallye-Debüt. „Ich kann mich kaum noch an etwas erinnern, weiß aber noch genau, dass die erste Wertungsprüfung ‚schönes Moselland‘ hieß. Mein Schrieb war aus heutiger Sicht ausbaufähig, aber es war ein tolles Erlebnis.“ Katrin Becker-Brugger lernte schnell und gewann danach unter anderem den deutschen 2WD-Titel, wurde fünffache österreichische Staatsmeisterin und stand im Rahmen der Junior WM bei der Wales Rallye GB ganz oben auf dem Treppchen.
Die Zusammenarbeit mit Philip Geipel kam eher zufällig zustande. „Philip war auf der Rundstrecke zu Hause und ich hatte mit ihm nur lockeren Kontakt per Facebook. Im Dezember 2018 gratulierte ich ihm dort zum Geburtstag und wir tauschten uns über seine anstehenden Rallye-Ambitionen und eine mögliche Zusammenarbeit aus. Ich habe das gar nicht erst genommen, bis ich die Nachricht erhielt, dass ich im Januar zur Teamvorstellung beim Sponsor in Erfurt auflaufen sollte. So fing alles an. Ich habe Philip danach Rallye-spezifische Hausaufgaben aufgegeben, die er alle gemacht hat, denn der Test im Februar war sehr gut.“
Das Duo wurde 2019 in der ersten DRM-Saison auf Anhieb Dritter, hatte allerdings bei der Rallye Stemweder Berg einen schweren Unfall. Katrin Becker-Brugger: „Wir sind mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Hausecke geknallt, das war unser erster Big Bang. Es gab einige Blessuren, aber die waren zum Glück nicht so tragisch, denn ich habe eine Woche später geheiratet. Zum Glück hatte das Hochzeitskleid ein Korsett. Aber dieser Crash schweißte uns noch mehr zusammen.“
Ein Garant für den Erfolg ist die akribische Vorbereitung der Co-Pilotin vor jeder Rallye. Neben Formalien wie Reiseplanung und Nennungen, versucht sie so viel wie möglich über Ablauf und Strecken in Erfahrung zu bringen, prüft, ob Karten aus Vorjahren existieren und welche Teile vom Aufschrieb übernommen werden können. Die 41-Jährige erklärt das Prozedere vor Ort: „Wir bekommen von der Rallye-Leitung ein Roadbook, in dem rudimentäre Angaben wie ‚in 1,5 Kilometern kommt links ein Abzweig‘ stehen. Bis dahin gibt es jedoch viele Richtungsänderungen, weshalb man in einem sogenannten Recce-Plan, die Kurzform von reconnaissance, was Erkundung bedeutet, seine individuelle Pacenotes erstellt. Wir übertragen die Angaben aus dem Roadbook in unsere individuelle Sprache. Dafür werden die Prüfungen vorab zweimal mit einem Straßenauto abgefahren, eine Onboard-Kamera filmt das Ganze. Beim ersten Durchgang diktiert mir Philip die Streckendetails, beim zweiten lese ich den Aufschrieb vor und wir machen gemeinsam das Feintuning. Danach passen wir die Aufzeichnungen an die Echtzeit im Wettkampf an, denn es ist ein Unterschied, ob man mit einem Straßenauto eine Kuppe mit 30 km/h oder unserem Skoda mit wesentlich höherer Geschwindigkeit nimmt. Die Videoaufzeichnungen werden deshalb doppelt so schnell abgespielt, sodass man das richtige Gefühl für die Strecke bekommt. Insgesamt haben wir eine sehr enge Struktur, um alles so genau wie möglich abzubilden und dementsprechend ausführen zu können.“
So exakt Katrin Becker-Brugger beim Aufschrieb ist, was die Zeiten während einer Prüfung betrifft, bewahrt sie Stillschweigen. „Seit 2021 bekommt Philip von mir nur Orientierungsgrößen, keine genauen Angaben. Alles, was ablenkt, wird weggelassen. Wenn wir eine Bestzeit fahren, kriegt er ein Lob, wenn er pushen muss, sporne ich ihn an. Aber er weiß nie, um welchen Platz es geht. Bei der Rallye in Sulingen habe ich ihm erst im Ziel gesagt, dass wir gewonnen haben.“
Akribie, Lockerheit und Spaß, das ist das Erfolgsrezept des Spitzenreiter-Duos, wie Katrin Becker-Brugger, die für Start-up-Unternehmen als Strategieberaterin tätig ist, bestätigt. „Es glaubt keiner, aber das Wichtigste für uns ist es, Spaß zu haben. Wir sind so dankbar, auf den besten Strecken Deutschland fahren zu dürfen und singen manchmal gemeinsam im Auto. Vor der Saison hätten wir nie damit gerechnet, nach vier Rallyes in der DRM ganz oben zu stehen, zumal unsere Verfolger Julius, Marijan und Dominik viel mehr Erfahrung haben als Philip. Der Deutsche Meistertitel wäre natürlich toll, aber mein größter Wunsch ist, mit Philip auch einmal Auslands-Rallyes zu bestreiten. Ob Wales, Finnland oder Italien – diese wunderschönen Strecken muss man einmal selbst erlebt haben.“