Für mich ist der Grand Prix am Spielberg schon deshalb etwas Besonderes, weil ich selbst in dieser Gegend lebe. Und den Fans bietet sich eine Strecke, die nicht wie üblich irgendwo in den Pampas liegt, sondern vom Ort zu Fuß erreichbar und in eine wunderschöne Landschaft eingebettet ist. Dass die Fahrer u.a. an einer Kapelle und an Weidekühen vorbeizischen, ist schon sehr eindrucksvoll.
Mit Lage, Infrastruktur, Organisation, Tribünen, Medienzentrum und dem herausragenden Rahmenprogramm sucht das Rennen ohnehin seines Gleichen. Das hängt freilich auch damit zusammen, dass Schirmherr Dietrich Mateschitz als Motorsportfreak und naturbezogener Mensch weiß, dass die Zuschauer auch in der Früh und am Abend Unterhaltung brauchen.
Einzig ein Lokalmatador fehlt, was aber keinen Grund darstellt, sich das Spektakel nicht anzusehen. Historisch betrachtet hatte Österreich mit Rupert Hollaus in den Fünfzigern sogar einen Weltmeister, doch wurde der Motorradsport vor allem nach meiner aktiven Zeit jahrzehntelang vernachlässigt. Er galt als laut, stinkig, gefährlich und zu gewinnen gab's auch nix. Dem geringsten Widerstand wurde nachgegeben, die Verantwortlichen waren problem- statt lösungsorientiert und letztlich ging die ganze Struktur in die Knie. Mit dem Engagement von Red Bull und KTM ist nun ein deutlicher Aufwärtstrend erkennbar.
Und im Land gibt es seit jeher eine große Motorsport-Tradition, wie die imposanten Zuschauerzahlen jedes Jahr belegen. Nachdem man den Salzburgring in den Neunziger-Jahren verloren und bald gemerkt hatte, dass auch Spielberg auf der Kippe steht, fanden die ursprünglich in Österreich getrennten Fanlager der Vier- und Zweiradszene zusammen. Und weil sich die MotoGP einen Ruf erarbeitet hat, der punkto Attraktivität über die Formel 1 zu stellen ist, kommen nicht nur Hardcore-Motorradbegeisterte in die Steiermark.
Für die Zuseher ist diese Naturarena von der Topografie und Übersicht her fantastisch. Wo kann man sonst auf der Welt von der Tribüne aus praktisch die gesamte Strecke einsehen? Auf dem Papier reißt dich das Layout zwar nicht unbedingt vom Hocker, dennoch erweist sich der Red Bull Ring als echte Herausforderung. Wer hier schnell sein will, muss schon wissen, wohin er fährt.
Seit der Rückkehr ins WM-Programm gab es am Spielberg in drei Rennen drei Ducati-Siege. Mit ihrer extremen Motorleistung hatten die Italiener bisher ein Alleinstellungsmerkmal, das perfekt zu dieser Strecke passt. Doch mittlerweile verfügt Honda über die gleiche Power, zudem sitzt ein gewisser Marc Márquez am Bike. Dass Österreich der einzige Grand Prix im Rennkalender ist, bei dem der Spanier noch einem Sieg hinterherfährt, wurmt ihn sicher. Allein deshalb ist Spannung garantiert. Márquez tut nichts lieber, als zu gewinnen und seinen Namen in die Geschichtsbücher einzutragen. Selbst wenn er die WM so gut wie in der Tasche haben sollte, gibt er kein Rennen ab.
August "Gustl" Auinger ist die österreichische Motorrad-Legende schlechthin und Riding Coach des Red Bull Rookies Cup. In der neuen MotoGP-Saison analysiert er wieder als Experte für ServusTV die Rennen live aus der Boxengasse.