Sechs Rennen stehen in nur sieben Wochen noch auf dem Programm und im Titelkampf ist nach wie vor alles offen. Die Weltmeisterschaft kommt jetzt in eine Phase, in der der Corona-Effekt mit dem nasskalten Herbstwetter eine Rolle spielen kann und auch die Rennen stark verändern wird. Und es deutet alles auf ein Comeback von Marc Márquez nächste Woche auf seiner Lieblingsstrecke in Aragón hin.
Das Wetter könnte schon an diesem Sonntag in Le Mans einen entscheidenden Faktor darstellen, normalerweise findet der Große Preis von Frankreich ja im Mai statt. Für Michelin ist es sehr schwierig, die Temperatur und Mischung der Reifen vorherzusagen, weil die Reifen schon Wochen vorher vorbereitet werden müssen. Letztlich wird es darum gehen, wer mit den Umständen am besten zurechtkommt.
Dass der Gesamtführende Fabio Quartararo erster MotoGP-Weltmeister auf einem Kundenmotorrad wird, ist alles andere als undenkbar, auch wenn er noch lange nicht durch ist. Die technischen Voraussetzungen haben sich längst geändert, die Satellitenteams bekommen mittlerweile den absoluten Werks-Support. Und nach seinem dritten Saisonsieg in Barcelona wird der junge Franzose beim Heimrennen extrem motiviert sein. Le Mans ist auch eine der erfolgreichsten Strecken für Yamaha: abwechslungsreich, Stop-and-Go, kurze Geraden, niedrige Geschwindigkeiten.
Suzuki ist für den ersten Sieg wiederum überfällig. Das Bike hat das gleiche Konzept wie Yamaha, ist nur etwas anders abgestimmt und sollte in Le Mans auch gut funktionieren. Die Stärke des Motorrads liegt eindeutig am Rennsonntag, die Schwächen beim Qualifying und in den ersten Runden. Sie fühlen sich wohler, wenn die Reifen etwas verbraucht sind und der Tank fast leergefahren ist. Sollten sie es schaffen, aus den ersten zwei Reihen zu starten und von Anfang an die Verbindung zur Spitze halten, traue ich Joan Mir und Álex Rins alles zu.
Im Oktober würde ich auch Ducati in Le Mans nicht abschreiben. An sich ist das fehlende Handling eine Schwäche des Powerbikes. Bei Regen wird diese Trägheit allerdings zum Vorteil, weil das Motorrad stabil bleibt und auch eine gute Elektronik verbaut hat. Und sollte es tatsächlich nass werden, ist selbst mit Honda wieder zu rechnen. Um KTM ist es in den letzten Rennen zwar ein bisschen stiller geworden, im Vorjahr hatten die Mattighofner aber in Le Mans bei trockenen Bedingungen ihr bestes Saisonrennen mit dem geringsten Abstand.
Vorhersagen für den weiteren Meisterschaftsverlauf bleiben in diesem Jahr also schwierig. Die Teams analysieren jedes Training, jede Runde, jedes Setup, wir haben diesmal aber eine ganz spezielle WM mit nur wenigen Strecken. Um belastbare Prognosen abzugeben, sind vor allem die Fahrer nicht stabil genug. Maverick Viñales ist eine Wundertüte, auch Fabio Quartararo hat seine Ups and Downs. Joan Mir fährt zwar konstant, ihm fehlt jedoch das Qualifying. Und Andrea Dovizioso muss sich noch für ein Team 2021 empfehlen. Er ist der Underdog und es stehen auch keine typischen Ducati-Strecken mehr am Kalender, bei Regen ändert sich aber alles. Und letztlich kommt dann noch Marc Márquez in die Party rein und denkt sich, mir doch egal, was ihr da macht.
_Zur Person
Alex Hofmann ist ehemaliger deutscher Motorradrennfahrer und TV-Moderator. In der MotoGP-Saison 2020 ist er wieder als Experte und Kommentator für ServusTV live im Einsatz._