Vor dem Großen Preis von Spanien spricht Stefan Bradl, MotoGP-Experte bei ServusTV, über den perfekten Saisonstart für Yamaha und die Rückkehr von Marc Márquez nach Jerez.
Yamaha hat zu Beginn der WM mit drei Siegen in drei Rennen praktisch das Maximum ausgeschöpft. Trotzdem ist es zu früh, irgendeine Tendenz zu erkennen, denn bisher ging es immer knapp her. Aber Fabio Quartararo kommt mit zwei Siegen und viel Selbstbewusstsein nach Jerez, einer seiner Lieblingsstrecken, wo er im Vorjahr zwei perfekte Ergebnisse einfahren konnte.
Wir müssen jedoch abwarten. In der letzten Saison ist nach dem guten Start auch plötzlich der Faden bei ihm gerissen. Joan Mir, 2020 der Mr. Konstanz, war vor zwei Wochen in Portugal erstmals am Podium und Marc Márquez wird sich wohl immer mehr stabilisieren.
Sein siebter Platz in Portimão ist als gelungenes Comeback zu werten. Er befindet sich absolut im Soll, was auch an seinen Emotionen nach dem Rennen zu erkennen war. Man muss niemandem erzählen, was er in den letzten neun Monaten durchgemacht hat. Es war schon eine enorme Verletzung, die er da hatte. An seinem Fahrstil hat sich allerdings nichts geändert. Sobald Marc an Sicherheit gewinnt und in Topform kommt, wird er zum Jäger. Dass er nichts zu verlieren hat, ist eine angenehme Ausgangsposition für ihn.
Ich gehe davon aus, dass Marc noch in den Titelkampf eingreifen wird. An jenen Ort zurückzukehren, wo er sich so schwer verletzt hat, wird ihn auch nicht nicht belasten. Die Umstände des Sturzes sind bekannt und hatten mit der Strecke wenig zu tun. Für ihn ist bloß wichtig, zurück zu sein und wieder seiner Leidenschaft nachgehen zu können. Wenn er in Portugal bei 80 Prozent war, wird er in Jerez schon bei 85 bis 90 Prozent sein.
Bisher gab es am Circuito Ángel Nieto fast nur Siege durch Honda und Yamaha. Márquez wird wieder aussichtsreichster Honda-Pilot sein, doch aktuell ist Yamaha in der Favoritenrolle gesetzt. Allerdings schätze ich Quartararo wesentlich höher ein als Maverick Viñales, der in Portimão Mega-Schwächen gezeigt hat. Klar hatte er im Qualifying mit dem Überfahren der Track-Limits Pech, doch ist zu beobachten, dass er oft aus dem Konzept gerät, wenn es nicht in seine Richtung läuft. Dass Viñales diesbezüglich leicht verwundbar ist, wissen natürlich auch die anderen. Meiner Meinung nach muss er sich mental fangen.
Ducati gewann nur einmal in Jerez, 2006 durch Loris Capirossi. Dennoch rechne ich wieder stark mit Johann Zarco. Der Pramac-Fahrer war bisher bei allen Sessions der Saison vorne dabei, aber auch der WM-Zweite Pecco Bagnaia wird Ansprüche stellen. Weniger gut läuft es für Jack Miller. Er spürt den Druck und dass im Werksteam mehr von ihm gefordert wird.
KTM fährt in dieser Saison weiter hinterher. In Portugal hat die Reifen-Allocation gegen sie gesprochen, Katar kam dem Motorrad nicht entgegen. In Andalusien blieben Top-Ergebnisse in der Vergangenheit zwar ebenfalls aus, aber mit dem normalen Rhythmus Jerez, Le Mans, Mugello, Barcelona wird man auf die Erfahrungen der letzten Jahre zurückgreifen können.
Da Wildcard-Rennen in dieser Saison wieder erlaubt sind, komme auch ich in Jerez zum Einsatz. Meine Hauptaufgabe besteht freilich darin, für Honda Daten zu sammeln. Ich fühle mich aber gut in Form, habe zuletzt auch einige Rennen bestreiten dürfen und mir selbst die Top Ten als Ziel gesetzt.
Stefan Bradl ist MotoGP-Testfahrer bei Honda und TV-Kommentator. In der neuen MotoGP-Saison analysiert der deutsche Moto2-Weltmeister 2011 als Experte für ServusTV die Rennen live aus der Boxengasse.