Am 3. Juli setzt sich mit dem Start der ADAC Deutschland Klassik 2019 in Wolfsburg ein rollendes Museum mit mehr als 100 historischen und klassischen Fahrzeugen in Bewegung. Drei abwechslungsreiche Touren durch die Südheide, den Nordharz und die sachsen-anhaltinische Altmark erwarten die Fahrer und Beifahrer bis zum 6. Juli. Dabei geht es nicht um Sollzeiten oder Sonderprüfungen. Vielmehr fühlt sich die ADAC Deutschland Klassik dem bewährten Konzept des entspannten Oldtimerwanderns verpflichtet. Kunst, Kultur und Kulinarik entlang der reizvollen Routen stehen ebenso im Vordergrund wie der Fahrspaß am Lenkrad und auf dem Beifahrersitz.
Volksautos treffen dabei auf automobile Schätze. So ist das älteste Fahrzeug im Feld ein gutes Beispiel dafür, dass bei der jüngsten Auflage der ADAC Deutschland Klassik auch altgediente PS-Arbeitspferde zu besonderen Ehren kommen: Der Ford Model T Pickup von Wilfried Roth und Wilfried Stephan stammt aus dem Baujahr 1925, transportierte einst sperrige Güter auf seiner Ladefläche und schnauft heute fröhlich mit 20 PS durch die Lande. Nur wenig jünger, aber ungleich luxuriöser ist das Auto von Walter Frank und Marianne Wolf-Frank. Ihren Rolls-Royce 20/25 HP Doctors Coupé konnten sich 1931 nur betuchte Zeitgenossen leisten, denn die Karosserie entstand damals noch nach Kundenwunsch in aufwändiger Einzelanfertigung. Heute repräsentiert das herrschaftliche Mediziner-Mobil die klassische, britische Automobilkunst.
Wie Luxus hinter dem einstigen Eisernen Vorhang aussah, zeigt der futuristische Tatra 2-603 von Hans-Karl Jahn und Gabriele Fiedler. Der stromlinienförmige Wagen war 1965 mit seinem luftgekühlten V8-Motor im Heck ein anspruchsvolles High-Tech-Produkt der damaligen CSSR. Im kapitalistischen Westen sah die Zukunft 1962 jedoch mindestens genauso elegant aus: Das Ford Thunderbird 2-Door Hardtop Coupé von Ludwig und Gaby Brümmer schien mit der schnittigen, 5,20 Meter langen Trapez-Karosserie und der spitzen Front damals direkt aus einem Science-Fiction-Film zu stammen.
Platz auf kleinstem Raum schufen dagegen die Macher des Talbot-Matra Murena. Bei der ADAC Deutschland Klassik treten Dr. Thomas und Brigitte Lederer mit dem französischen Plastik-Mobil von 1982 an, das als "Trio mit vier Rädern" nicht nur über Kunststoffkarosserie und Mittelmotor, sondern auch über drei nebeneinanderliegende Sitzplätze verfügt. Von einer ebenso gelungenen Raumnutzung profitiert der VW do Brasil SP2 von Dirk Nessenius und Ina Lobitz aus dem Baujahr 1972, der dank kompaktem Flachboxer für längere Strecken zwei Kofferräume zu bieten hat. Udo Goetz und Frauke Seewald haben mit ihrem Mercedes-Benz 180 D-Am von 1956 ebenfalls keine Platzprobleme. Der seltene Kombi auf der Basis des berühmten "Ponton" hat ein erweitertes Heckabteil, das von der Karosseriefirma Binz in Handarbeit gestaltet wurde. Ein großes Faltdach sorgt für ausreichend Frischluft im 43 PS starken Wirtschaftswunder-Exoten.
Dass man in dieser Zeit jedoch nicht nur praktische Autos, sondern auch schon echte Traumwagen baute, belegt das Cabrio von Klaus und Christel Hebmüller. Sie bringen ihr gleichnamiges Fahrzeug mit zur ADAC Deutschland Klassik: Ein Käfer-Cabrio mit einer Karosserie vom VW-Hofschneider Hebmüller aus dem Jahre 1949. Heute sind diese frühen Luxus-Varianten des Wolfsburger Klassikers gesuchte und extrem seltene Fußnoten der VW-Historie.
In Frankreichs Automobillandschaft hingegen übernahm Citroen die führende Rolle der Vergangenheit. Der Traction Avant 11 B Légere Berline von Kurt und Waltraud Oehm ist dafür ein Beleg: Der Wagen von 1954 beruht auf einer fortschrittlichen Vorkriegskonstruktion und galt bereits in den 50er Jahren als zuverlässiges Reisemobil. Ebenso reisetauglich, jedoch deutlich langsamer unterwegs ist der Citroen 2 CV von Hans-Peter und Renate Stolz. Die "Wellblech-Ente" aus dem Jahr 1955 hat zwar schon den leistungsstärkeren Antrieb der AZ-Version, doch kommt sie mit 425 Kubik Hubraum trotzdem nur auf 12,5 PS. In Sachen Kurvenspaß und Sympathiewertung muss sich das luftgekühlte Kultfahrzeug trotz magerer Motorisierung dennoch nicht verstecken.
Das vielseitige Teilnehmerfeld der ADAC Deutschland Klassik ist auch 2019 wieder ein Garant für Fahrspaß und automobile Vielfalt in all ihren Formen. Ob Front- oder Heckantrieb, Vorkriegsklassiker oder 80er-Jahre-Oldie, Stahldach oder Stoffhaube - die über einhundert Autos der Klassik-Karawane sorgen bei ihrer Tour durch die Börde, den Harz und die Heide sicherlich nicht nur für Aufsehen, sondern auch für ein nostalgisches Lächeln bei den Zaungästen und Zuschauern.