FAHRZEUGTYPEN UND BAUREIHEN BEI DER ADAC STRAßENWACHT

70 Jahre erstes ADAC Straßenwacht Gespann

NSU 501 OS-T Konsul II Gespann

Hersteller

NSU Werke Aktiengesellschaft, Neckarsulm (D)

Modellbezeichnung

NSU 501 OS-T Konsul II

Motorisierung

Luftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor

Hubraum

498 ccm

Leistung

21 PS

Indienststellung

1953

Stückzahl

Nr. 1 von 21 NSU Konsul

Am 29. November 1953 tritt das erste ADAC Straßenwacht Gespann der Geschichte, und somit auch das erste Fahrzeug der ADAC Straßenwacht überhaupt, seine „Jungfernfahrt“ an. Dabei handelt es sich nicht wie häufig angenommen um ein Motorrad von BMW, sondern um eine NSU 501 OS-T Konsul II. Vorausgegangen ist im Herbst desselben Jahres der Beschluss zur Schaffung der ADAC Straßenwacht. Ausrüstung und Optik des Prototyps entsprechen weitestgehend dem späteren Serienzustand. Nach einer bewegten Geschichte kehrt die Nummer 1 zurück nach München und erstrahlt nach aufwändiger Restaurierung in neuem Glanz.

Nachdem im Herbst 1953 das ADAC Präsidium und der Verwaltungsrat die Schaffung der ADAC Straßenwacht beschlossen haben, wird im November 1953 eine NSU 501 OS-T Konsul II angekauft, um diese zum Prototyp umzubauen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit stammt die Solomaschine, deren Fahrzeugbrief bereits am 6. Juni durch die NSU Werke AG ausgestellt wurde, aus dem Bestand der „NSU Bezirksvertretung“ von Alois Drax in der Landsberger Str. 436 in München/Pasing und wurde vermutlich von dort ausgeliefert.

Alois Drax war nicht nur NSU Händler, sondern auch im ADAC e.V. aktiv, ein überaus erfolgreicher Gespann-Rennfahrer und ist darüber hinaus heute noch als „Erfinder“ des ersten Hartschalen-Motorradhelmes bekannt. Mit seinem unter der Bezeichnung „Sport-Drax“ vermarkteten Helm waren die ersten ADAC Straßenwacht Fahrer ausgestattet. Vermutlich stammen auch weitere Ausrichtungsgegenstände aus dem Hause Drax.

In Rechnung gestellt wurde die Konsul dem ADAC aber am 6. November direkt von der NSU-Werke AG, Neckarsulm, mit einem Nachlass von 15.5 Prozent gegenüber dem Listenpreis. Knapp zwei Wochen später erhält die Maschine, immer noch als Solomotorrad, unter dem Besatzungskennzeichen AB-51 2868 auf den Allgemeinen Deutschen Automobil Club e.V., Königinstraße 10a in München, ihre Erstzulassung.

Die Königinstraße 9-11 in München, bis 1973 Sitz der Hauptverwaltung des ADAC. Die Ausrüstungswerkstatt befand sich im Hinterhof. © Foto: ADAC

Wann genau mit dem Umbau der NSU zum Prototypen-Gespann der ADAC Straßenwacht begonnen wurde, ist nicht überliefert. Mit der Fertigung des Beiwagens, der sich sowohl durch die Art der Federung und die Farbgebung, als auch in Form und Abmessungen des Bootes deutlich von den später bei der ADAC Straßenwacht serienmäßig eingesetzten Beiwägen unterscheidet, wurde wohl schon deutlichfrüher begonnen, denn bereits zwei Wochen später steht das Gespann einsatzbereit parat. Am 29. November 1953 schließlich entsendete Georg Wanner, Technischer Direktor des ADAC, den Straßenwacht Fahrer Nr. 1, Heinz Fröhlich, auf die erste Versuchsfahrt. Fröhlich, der über diesen Tag in einem 1968 in der ADAC Motorwelt erschienenen Interview berichtet, steuerte das Gespann auf seiner ersten Einsatzfahrt Richtung Augsburg, wo er auf der A8 dem ersten Havaristen begegnet.

Fröhlich grüßend auf der brandneuen NSU Konsul. © Foto: ADAC

Kurze Zeit später, Anfang Dezember, kann das voll ausgerüstete Gespann anlässlich der in München stattfindenden Arbeitstagung dem geschäftsführenden Präsidium des ADAC im Hof der ADAC Hauptverwaltung, Königinstraße 9-11 in München, vorgeführt werden. Da dieses Ereignis vom damaligen Haus- und Hoffotografen des ADAC, Alois Woda, für einen Artikel in der ADAC Motorwelt im Bild festgehalten wurde, können wir heute auf hochwertige Fotos des noch jungfräulichen Gespannes zurückgreifen.

Das ADAC Straßenwacht Gespann Nummer 1, hier noch ohne Spiegel und ohne Erste-Hilfe-Zeichen auf dem Windschild. © Foto: ADAC

Diese Bilder sollten sich später noch im Zuge der Restaurierung als unschätzbare Referenz für zahllose Detailfragen erweisen. Am 14. Dezember 1953 wird das Gespann schließlich bei der Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr (heute kurz TÜV) Überwachungsbezirk 12 München, zwecks Eintrag des Beiwagens der Firma Royal Seitenwagen aus München vorgeführt. Für den Beiwagenbetrieb wird dabei die Reifendimension des Hinterrades von 3.50-19 auf 4.00-19 geändert.

Im Dezember 1953 und Januar 1954 wird der Probebetrieb im Raum Oberbayern fortgesetzt. So auch im Rahmen der ADAC Wintersternfahrt 1954 in Oberstdorf am 7. Januar. Im Bericht aus der ADAC Motorwelt ist Heinz Fröhlich bereits zusammen mit seinem Kollegen Josef Vordermayer, dem ADAC Straßenwachtfahrer Nummer 2, auf Zündapp KS 601 Gespann, zu sehen.

Am 2. Mai 1954 wird im Rahmen der Jahreshauptversammlung in Stuttgart die ADAC Straßenwacht im Beisein von Abordnungen der europäischen Partnerclubs AA aus England, der Belgischen Touring Secours und der holländischen „Wegenwacht" offiziell in Dienst gestellt. Während des Festaktes werden alle 60 Gespanne vor dem Schloss Solitude aufgereiht. Ein bei der anschließenden Parade-Fahrt aufgenommenes Foto ziert das Titelblatt der folgenden Ausgabe der ADAC Motorwelt.

60 Pannenhilfsgespanne bei der feierlichen Indienststellung. Im Vordergrund die Flotte der ADAC Straßenwacht auf NSU Konsul, Zündapp KS 601 und BMW R 67/2, gefolgt von den Gespannen der Partnerclubs. © Foto: ADAC

Danach wird die Maschine im regulären Straßenwachtdienst auf der Autobahn im Raum Frankfurt eingesetzt. Im Zuge der Kennzeichenreform von 1956/1957 muss das Besatzungskennzeichen AB-51 2868 auf M-LK 162 geändert werden.

1958 wird schließlich entschieden, die Maschine auszumustern und am 18. Juni 1958 die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs durch das Amt für Öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt München in den Papieren vermerkt. Danach kehrt das Gespann nach München zurück, wo trotz des verbrauchten Zustandes die weitsichtige Entscheidung getroffen wird, das Fahrzeug nicht zu veräußern oder als Teilespender für die anderen 20 Konsul Gespanne der ADAC Straßenwacht zu verwerten, sondern aufzubewahren und der Nachwelt zu erhalten. Die Maschine wird deswegen in der Ausrüstungswerkstatt in München eingelagert. Vermutlich wird dort bereits ein Restaurierungsversuch gestartet, dessen Umstände aber leider nicht überliefert sind.

Als der Hamburger Straßenwachtfahrer Wolfgang „Charly“ Ridzewsky, der bereits durch die Unterstützung bei der Restaurierung des Zündapp KS 601 Gespannes mit der Nummer 59 seine Fähigkeiten bewiesen hatte, sich Anfang der 1970er Jahre bereit erklärt, die Konsul zu restaurieren, bekommt er die Maschine jedenfalls zerlegt und in Körben verpackt angeliefert. Der gelernte Motorradmechaniker, der, durch seine Lehrzeit von 1956 bis 1958 beim Hamburger NSU-Händler Gebrüder Brügmann in der Erikastraße, die Technik der NSU Konsul bestens kennt, macht sich am ADAC Straßenwacht Stützpunkt Hamburg an der Amsinckstraße unter Mithilfe seines Kollegen Walter Schulz an die Arbeit.

Charly Ridzewsky am Stützpunkt in der Amsinkstraße 41 bei der Arbeit an der Konsul. © Foto: Charly Ridzewsky

Die Amsinckstraße 41 in Hamburg. Der Hauptsitz des ADAC Hansa e.V. beherbergte damals auch den örtlichen Stützpunkt der ADAC Straßenwacht. © Foto: ADAC

Der durch den harten Einsatz und die beträchtliche Laufleistung verbrauchte Zustand und diverse Fehlteile stellen ihn vor einige Herausforderungen, die er dank seiner guten Verbindungen in die Hamburger Motoradszene aber lösen kann. Nach Fertigstellung des Gespannes überführt Ridzewsky die NSU per LKW nach München. Dort wird die Maschine einige Jahre in der Hauptverwaltung des ADAC am Westpark ausgestellt.

Franz Huber, der damalige Leiter der Ausrüstungswerkstatt, auf der Konsul vor dem 1973 bezogenen Neubau der ADAC Hauptverwaltung in München, Baumgartnerstraße/Am Westpark.

Der 1973 bezogenen Neubau der ADAC Hauptverwaltung in München, Baumgartnerstraße/Am Westpark. © Foto: ADAC

Ein Bild, das die frisch restaurierte Maschine ausgestellt in der Hauptverwaltung zeigt, konnte bisher leider nicht gefunden werden. Falls ein Leser über ein solches Foto verfügt, wären wir über eine Nachricht an klassik@adac.de sehr erfreut.

Ab 1974 wird das Gespann dem Deutschen Zweirad Museum in Neckarsulm als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.

Das Gespann Nr. 1 als Teil der Ausstellung des Deutschen Zweirad- und NSU-Museums in Neckarsulm. © Foto: Deutsches Zweirad-Museum

Im April 1983 wird das Gespann vorübergehend für eine Ausstellung in Stuttgart aus dem Museum geholt. Auf die Option, das Motorrad für besondere Anlässe sporadisch aus der Ausstellung nehmen zu können, ohne dass der Leihvertrag erlischt, hatten sich der ADAC und das Neckarsulmer Museum bereits im Leihvertrag von 1974 geeinigt.

Ab 1985 stellt der ADAC e.V. München das Gespann dem ADAC Württemberg e.V. als Dauerleihgabe zur Verfügung, welcher es im Foyer des Verwaltungsgebäudes am Neckartor in Stuttgart ausstellt.

2019 richtet der AMSC Leonberg e.V., ein Ortsclub des ADAC Württemberg e.V., im Rahmen der Retro Classics in Stuttgart eine Sonderausstellung mit dem Motto „Straßen- und Renngespanne“ aus, in der auch die Konsul gezeigt wird.

Die NSU Konsul vor Ihrer Restaurierung auf der Retro Classics in Stuttgart. © Foto: ADAC

Auf der Messe fällt der fragwürdige optische und technische Zustand der Maschine auf und es wird entschieden, die Maschine für eine eingehende Bestandsaufnahme nach München zu bringen. Aufgrund der Vielzahl der technischen und optischen Mängel wird dort schnell klar, dass eine Restaurierung des Gespannes unumgänglich ist. Es stellt sich zudem heraus, dass die Maschine ihrer kompletten Ausrüstung beraubt worden ist und auch die Schaufensterpuppe mit der Straßenwachtuniform von Heinz Fröhlich ist verschwunden.

Für die Restaurierung, deren Ziel es einerseits ist, das Gespann in einen vorzeigbaren und originalgetreuen Zustand zu bringen, andererseits aber so viel historische Substanz wie möglich zu erhalten, konnten Hans Keckeisen aus Friedberg-Heimatshausen und Stephan Meyer aus Schwäbisch Hall gewonnen werden. Meyer, der bereits den 1969 von Charly Ridzewsky neu übernommenen ADAC Straßenwacht „Käfer“ mit der Fahrzeugnummer 880 restauriert hat, ist dabei für die Blecharbeiten am Boot und die Lackierung von Beiwagen und Windschild verantwortlich. Keckeisen, der zuvor schon dem BMW R 67/2 Gespann mit der Fahrzeugnummer 63 und dem Zündapp KS 601 Gespann Nummer 59 zu neuem Glanz verholfen hat, übernimmt die Blecharbeiten an Windschild und den Kotflügeln sowie die komplette Technik.

Nur Stunden nach der Fertigstellung kann die frisch restaurierte Maschine am 29. November 2023, auf den Tag genau 70 Jahre nach ihrer ersten Versuchsfahrt, im Foyer der ADAC Hauptverwaltung in München der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Nur Stunden nach der Fertigstellung wird die frisch restaurierte Maschine am 29. November 2023 in der ADAC Hauptverwaltung in München präsentiert.

Nach einigen Ausstellungen im Jahr 2024 findet das Gespann dauerhaft seine Heimat im Obergeschoß des ADAC Clubhauses. Dort sind bereits unter anderem eine Hildebrand & Wolfmüller von 1894, eine Laurin und Klement von 1903, eine Wanderer von 1910 und die Galerie der ehemaligen ADAC Präsidenten untergebracht.

Das ADAC Clubhaus auf dem Gelände der Hauptverwaltung in München beherbergt unter anderem die Vereinsbibliothek und einen Teil der Fahrzeugsammlung.